Mehr Arbeitslose trotz mehr Stellen
Der Schweizer Arbeitsmarkt ist im letzten Jahr gewachsen. Weil aber immer mehr Menschen auf den Schweizer Arbeitsmarkt drängen, steigt die Arbeitslosigkeit trotzdem.
Der Schweizer Arbeitsmarkt hat sich 2012 robust gezeigt. Trotz des schleppenden Wirtschaftsgangs und einer leichten Zunahme der Arbeitslosenquote auf 2,9 Prozent ist die Beschäftigung im vergangenen Jahr um 1,6 Prozent gestiegen.
Dies entspricht der Zahl von 62'400 Stellen, die nach Angaben der Konjunkturforschungsstelle KOF der ETH Zürich im Jahr 2012 geschaffen worden sind. Besonders stark zugenommen hat gemäss KOF die Teilzeitarbeit. Die Zahl der Vollzeitstellen wiederum sei um 1,5 Prozent oder um 52'900 Stellen gewachsen.
«Wirtschaft der zwei Geschwindigkeiten»
Angesichts des eher bescheidenen Wachstums des Bruttoinlandprodukts (BIP) um voraussichtlich 1 Prozent im Jahr 2012 hat sich der Arbeitsmarkt damit widerstandsfähig gezeigt.
2011, als das BIP um 1,9 Prozent zugelegt hatte, waren nur 36'500 zusätzliche Stellen geschaffen worden. Im Jahr davor hatten trotz eines Wirtschaftswachstums von 3 Prozent lediglich 21'000 neue Jobs resultiert.
Laut Sibille Duss, Ökonomin bei der UBS, war das Jahr 2012 geprägt von einer «Wirtschaft der zwei Geschwindigkeiten». Während die Industrie unter der Krise der Eurozone sowie dem starken Franken gelitten habe, hätten viele Branchen vom starken Konsum im Inland profitiert.
Dienstleistungssektor legt stark zu
Gemäss dem Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) verzeichnete die Industrie im dritten Quartal 2012 im Vergleich zum Vorjahr netto 11'000 zusätzliche Stellen. Der Dienstleistungssektor wuchs demgegenüber im selben Zeitraum um 49'000 Beschäftigte.
Der tertiäre Sektor profitierte dabei von der starken Zunahme im Gesundheits- und Sozialwesen, wo im Vergleich zum Vorjahr 15'000 Personen zusätzlich beschäftigt waren. Starke Zunahmen gab es auch im Bereich der Informationstechnologie (plus 5000) sowie in der Öffentlichen Verwaltung (plus 7000).
Erstmals seit dreieinhalb Jahren waren gemäss BFS im dritten Quartal zudem mehr Personen in der Gastronomie beschäftigt (plus 2000). Demgegenüber schrumpfte die Beschäftigung in der Hotellerie, die zu den Opfern des starken Frankens zählt.
Nur Tessin hinkt hinterher
Der sekundäre Sektor profitierte 2012 vom starken Baugewerbe. Die Beschäftigung in der Baubranche wuchs gemäss den Zahlen des KOF im vergangenen Jahr um 2 Prozent.
Stark entwickelte sich auch die Beschäftigung in der Uhren- sowie der Elektronikindustrie mit 3000 zusätzlichen Stellen (plus 2,4 Prozent). Alleine die Swatch Group schuf im abgelaufenen Jahr in der Schweiz 1000 Stellen.
Trotz der Schliessung der Genfer Firmenzentrale von Merck Serono und Restrukturierungsmassnahmen bei Huntsman, Lonza sowie Givaudan weist auch die Pharmaindustrie ein positives Beschäftigungssaldo auf.
Die Beschäftigung hat 2012 gemäss der Konjunkturforschungsstelle in allen grossen Schweizer Regionen zugelegt. Die Ausnahme bildet das Tessin. Am stärksten wuchs die Arbeitsmarkt in der Zentralschweiz sowie im Espace Mittelland.
Sibille Duss von der UBS rechnet damit, dass der Druck auf den Arbeitsmarkt besonders in der Industrie hoch bleibt. In der Uhren- und Elektronikindustrie sowie in der Chemiebranche dürfte die Rekrutierung von Arbeitskräften laut Duss hingegen auch im vierten Quartal 2012 angehalten haben.
Arbeitslosenquote stieg im Dezember auf 3,3 Prozent
Trotz des robusten Arbeitsmarkts ist die Arbeitslosigkeit gemäss Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) im Dezember von 3,1 auf 3,3 Prozent gestiegen. Francis Saucy vom BFS führt diesen Umstand einerseits auf das Bevölkerungswachstum zurück. Ausserdem sei die Mehrzahl der neu rekrutierten Arbeitnehmer auch neu in den Arbeitsmarkt eingetreten.
Insgesamt waren im Dezember 142'309 Personen arbeitslos gemeldet, 10'242 mehr als im November. Der Jahresdurchschnitt 2012 lag bei 2,9 Prozent. Gegenüber dem Dezember 2011 erhöhte sich die Zahl der bei den regionalen Arbeitsvermittlungszentren gemeldeten Arbeitslosen um 8,9 Prozent, wie das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mitteilt. Die Zahl der Stellensuchenden stieg im Dezember um 6 Prozent auf 11'192. Demgegenüber standen 13'722 offene Stellen, über 2000 weniger als im November.
Zu 90 Prozent saisonal
Die Gründe für die gestiegene Arbeitslosigkeit seien zu 90 Prozent saisonal, zu 10 Prozent konjunkturell, sagte Dominique Babey, Leiter des Bereichs Arbeitsmarkt im Seco. Besonders markant war der Anstieg in den Berggebieten Wallis, Schwyz und Jura.
Die Zahl der unter 24-Jährigen ohne Arbeit wuchs gegenüber dem November um 3,3 Prozent. Damit war die Zunahme verglichen mit den anderen Altersgruppen unterdurchschnittlich, da im Winter weder Schul- noch Lehrabgänger auf den Arbeitsmarkt kommen, wie Babey feststellte.
Arbeitsmarkt behauptet sich
Aufs ganze Jahr gesehen lag die Arbeitslosenquote bei 2,9 Prozent, ein leichter Anstieg von 0,1 Prozentpunkten gegenüber 2011. Dennoch gehört 2012 gemäss Seco zu den drei besten Jahren des letzten Jahrzehnts.
Damit vermochte sich der Arbeitsmarkt trotz des schwierigen internationalen Umfelds erfreulich gut zu halten, bilanzierte das Seco. Der Anstieg des Jahresdurchschnitts zeigt aber dennoch eine Eintrübung.
Nach einem raschen Anstieg um die Jahreswende 2011/12 auf über 134'000 Arbeitslose, sank die Zahl bis Ende Juni auf knapp 115'000. Die Abnahme fiel allerdings nur noch halb so gross aus wie in der Vorjahresperiode.
Deutlich mehr Arbeitslose im zweiten Halbjahr
Diesem Rückgang in der ersten Jahreshälfte steht eine Zunahme um 27'400 Arbeitslose in der zweiten Hälfte gegenüber. Die Arbeitslosenzahlen, die bereits seit Juli ununterbrochen stiegen, erhöhten sich insbesondere zwischen Oktober und Dezember mit grossen Schritten. Saisonale Faktoren verstärkten diesen Effekt.
Die Jugendarbeitslosigkeit erreichte eine Quote von 3,2 Prozent. Ausgeglichen war über alle Alterskategorien die Quote zwischen den Geschlechtern mit je 2,9 Prozent. In früheren Jahren war die Frauenarbeitslosigkeit häufig höher als jene der Männer. Den Ausgleich führt Babey auf die steigenden Qualifikationen der Frauen zurück.
15,3 Prozent der Arbeitslosen waren länger als ein Jahr ohne Stelle. Nach wie vor war die ausländische Wohnbevölkerung mit 5,5 Prozent häufiger arbeitslos als die Schweizerinnen und Schweizer (2,1 Prozent). Die Arbeitslosenquote in der Deutschschweiz betrug im vergangenen Jahr 2,4 Prozent, in den anderen Landesteilen 4,2 Prozent.
Leicht mehr Kurzarbeit im Oktober
Kurzarbeit leisteten im Oktober 8110 Personen, knapp 24 Prozent mehr als im November. Die Zahl der betroffenen Betriebe stieg wegen der abgekühlten Weltwirtschaft um 10,6 Prozent auf 638.
Das sind wenig im Vergleich mit 2009. Zahlte die Arbeitslosenversicherung damals 1 Milliarden Franken an Kurzarbeitsunterstützung, werden es 2012 rund 100 Mio, sein, wie Babey sagte. Im Oktober verloren 2580 Personen ihr Recht auf Arbeitslosenunterstützung und wurden ausgesteuert.
Überschuss höher als budgetiert
Der Ausgleichsfonds der Arbeitslosenversicherung (ALV) dürfte 2012 nach ersten Schätzungen Prämieneinnahmen von 6,36 Milliarden Franken verzeichnen nach 6,14 Milliarden im Vorjahr. Den Gesamtertrag beziffert das Seco auf 6,95 Milliarden und den Aufwand auf 5,78 Milliarden Franken.
Damit beträgt der Überschuss 1,17 Milliarden Franken nach 1,63 Milliarden im Vorjahr. Das ist deutlich besser als budgetiert. Der Ausgleichsfonds steht somit beim Bund noch mit 5 Milliarden Fr. in der Kreide.
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