«Me» macht das nid
Der ganze Zirkus um stillende Mütter, ob positiv oder negativ, ist völlig überflüssig.

Eine Frau aus Osnabrück beklagt sich im Internet über eine angeblich stillfeindliche Gesellschaft. Darüber, dass sie sich in der ersten Zeit nach der Geburt ihres Kindes gar nicht aus dem Haus getraut hat. Aus Angst vor schrägen Blicken und bösen Kommentaren, wenn sie ihr Kind stillt.
Mehrere Frauenzeitschriften haben ihren Facebook-Post aufgenommen. Es sei ja so wichtig, das zu thematisieren, schreiben sie. Genauso gehypt wird jedes Foto einer Prominenten mit Baby an der Brust. Oder Politikerinnen, die während einer Rede im Parlament das Kind anlegen. Sogar der offensichtlich gestellte Auftritt eines stillenden Models auf dem Catwalk sorgte neulich für Stürme des Entzückens.
Wer bitte ist dieser «me»?
Der ganze Zirkus um stillende Mütter, ob positiv oder negativ, ist völlig überflüssig. Ich habe meine Jungs überall gestillt, wo sie hungrig wurden. Im Restaurant, Tram, auf der Parkbank, dem Pannenstreifen, sogar und mehrfach im Flugzeug. Ob mich dabei jemand missbilligend angeschaut hat? Ganz ehrlich – ich weiss es nicht. Und es ist mir total egal.
Mit kleinen Kindern hat man erstens ganz anderes zu tun, als sich um die Befindlichkeiten von Passanten zu kümmern. Zweitens eckt man nicht nur als Mutter ständig irgendwo bei irgendjemandem an. Mein Döner stört Mitpassagiere. Mein Kinderwagen braucht zu viel Platz im Tram. Mein Lachen ist zu laut. Meine Haare zu lang. Meine Schritte zu langsam. Und überhaupt, «me macht so öppis nid». Und wer bitte ist dieser «me»? Das war bereits als Kind meine Antwort darauf.
Denken tun die anderen sowieso
Schon damals war mir klar, dass man seinen Lebensstil nicht danach ausrichten sollte, was andere darüber denken könnten. Und diese Haltung habe ich heute noch. Denn denken, das tun die anderen sowieso. Sollte jemand diesen ominösen «me» kennen, würde ich mich übrigens trotzdem über eine Nachricht freuen. Immer genau das tun, worauf man Lust hat, genau dann, wenn man darauf Lust hat – so weit es Umstände,
Anstand und Gesetz erlauben. Das ist der Schlüssel zum Glücklichsein. Ein Song gefällt? Also los! Tanzen, als obs der letzte Tanz wäre. Bock auf bauchfrei? Ja! Auch wenn es je nach Plauze für den Rest der Welt ein Schock ist. Das Baby hat Hunger? T-Shirt hoch oder runter, stillen, fertig.
Es tut mir leid für alle stillenden Mütter, die eventueller Missbilligung nicht mit der nötigen Gleichgültigkeit begegnen können. Es sind Frauen, die wahrscheinlich auch in anderen Bereichen gehemmt durchs Leben gehen. Menschen, deren Gemüter sich bei jeder Kleinigkeit erhitzen, können einem aber genauso leid tun. Für sie kommt jetzt eine schmerzhafte Wahrheit: So viele Dinge, die ihr meint, kommentieren oder doch immerhin still verurteilen zu müssen, gehen euch ganz einfach überhaupt nichts an.
Also lebt euer Leben so, wie es euch richtig erscheint und lasst alle anderen dasselbe tun. So lange nämlich ein paar Grundregeln von Anstand, Respekt und Empathie berücksichtigt werden, liegt für uns alle viel mehr Freiheit drin – weit übers Stillen hinaus. Darum macht nicht nur eure Brüste, sondern euer Leben frei.
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