Matteo Salvini verliert seine erste grosse Schlacht
Armando Siri, ein Staatssekretär von der Lega und Vertrauter Salvinis, fällt nach langer Zerreissprobe aus dem italienischen Kabinett. Die Cinque Stelle triumphieren – ein bisschen.

Für eine Medienkonferenz blieb keine Zeit, und darüber schien Italiens Premierminister Giuseppe Conte ganz froh zu sein. Die 58. Sitzung des Ministerrats in der Ära der Populisten war die heikelste von allen und dauerte so lange, dass schon der nächste öffentliche Termin drängte, als sie fertig war.
Kamerateams verfolgten Conte bis zur römischen Synagoge, wo er erwartet wurde, um ihm doch noch einen Fetzen zu entlocken. «Wir haben alles unternommen, damit die Bürger das Vertrauen in uns nicht verlieren», sagte Conte. Überzeugt wirkte er allerdings nicht.
Gemeint war der Umgang mit der Akte Armando Siri. So heisst der 47 Jahre alte bisherige Staatssekretär im Transportministerium und Wirtschaftsguru der Lega, dessen Schicksal im gestrigen Ministerrat verhandelt wurde. Die Staatsanwaltschaften von Palermo und Rom ermitteln wegen angeblicher Korruption gegen den engen Vertrauten von Parteichef Matteo Salvini.
Kruder Umgangston
Nun wurde Siri aus dem Amt entlassen. Per Machtakt des Premiers, einem Enthebungsdekret, anders ging es nicht. Siri hatte sich davor standhaft geweigert, von seinem Amt zurückzutreten, obschon ihn Regierungschef Conte mehrmals dazu aufgefordert hatte. So etwas war noch nie vorgekommen.
Wahrscheinlich hielt sich Siri für ein Bauernopfer im übergeordneten Kampf zwischen Salvini und Luigi Di Maio von den Cinque Stelle. Der Tonfall der Auseinandersetzung zwischen den beiden Vizepremiers in der «Affäre Siri» war selbst für italienische Verhältnisse ungewohnt rüde. Auf dem Blog der Cinque Stelle, so etwas wie das Zentralorgan der Bewegung, hatte es geheissen, Salvini solle «Eier zeigen» und Siri fallen lassen. Salvini konterte, die 5 Sterne möchten «das Maul halten und arbeiten». Zwei Wochen lang ging das so, im Crescendo.
Am Ende gewann also Di Maio. Er war dann auch der Einzige, der sich nach dem Ministerrat im Pressesaal des Palazzo Chigi – des Regierungssitzes – zeigte. Di Maio gab sich bescheiden im Triumph. Das sei nicht sein Sieg, sagte er, sondern «der Sieg aller ehrlichen Italiener». Man werde jetzt weiter am Wandel des Landes arbeiten, gemeinsam mit der Lega.
Attacken und Versprechen
Als Konzession erwartet Salvini, dass die Cinque Stelle seine «Flat Tax» unterstützen, die Einführung also eines einzigen, tiefen Steuersatzes für alle – wenigstens nach aussen. Eigentlich sind die 5 Sterne gegen die «Flat Tax». Doch so hörte man Di Maio nun plötzlich sagen, die Regierung treibe die «Flat Tax» voran und gleichzeitig auch noch den Mindestlohn. Die Attacken unter Alliierten und die Propaganda mit immer neuen Versprechen – alles dient der Kampagne vor der Europawahl und der Profilierung der beiden Parteien. Die wahren Probleme Italiens gehen dabei unter, und auch das ist allen Beteiligten recht so. Wie die jüngsten Wirtschaftsprognosen aus Brüssel zeigen, ist momentan keine Wirtschaft in Europa schlechter beieinander als die italienische: Für das laufende Jahr ist ein Wachstum von nur 0,1 Prozent vorausgesagt.
Die wirtschaftliche Verfassung könnte eine zentrale Rolle spielen bei den politischen Weichenstellungen der kommenden Monate. Zumal dann, wenn die populistische Regierung nach den Europawahlen auseinanderfällt, wie das viele voraussagen. Gewinnt die Lega bei den Europawahlen hoch, wird sie versucht sein, ihre Popularität auch in Sitzen im nationalen Parlament gespiegelt zu sehen. Dafür wären Neuwahlen nötig, und ob es solche gibt, entscheidet in Italien der Staatspräsident.
Implodiert die Regierung, könnte es sein, dass Staatschef Sergio Mattarella sich gegen sofortige Neuwahlen entscheidet und stattdessen Experten in ein Übergangskabinett beruft, dem dann die Aufgabe zufiele, Wirtschaft und Haushalt vor noch mehr Unbill zu schützen.
Für dieses Szenario zirkuliert auch schon der Name eines möglichen Premiers: Mario Draghi, der bisherige Chef der Europäischen Zentralbank. Er steht ja kurz vor Mandatsende. Sehr populär wäre eine solche Lösung nicht. Aber vielleicht wird sie nötig sein.
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