Martin Suter hatte zum 18. Mal Geburtstag
Geboren ist der Schweizer Schriftsteller an einem 29. Februar. Um das zu feiern, lud er am Samstag zu einem bescheidenen Fest. Aber nicht zu einem nüchternen.

Martin Suter gehört im doppelten Sinn zu einer Minderheit: zur Minderheit der Schweizer Schriftsteller, die auch im Ausland erfolgreich sind. Und zu jenen Personen – in der Schweiz sind es etwa 5000, weltweit rund 5 Millionen –, die an einem 29. Februar geboren wurden. Deshalb kann er nur alle vier Jahre richtig Geburtstag feiern, was er am Samstag in der Bar des Restaurants Kronenhalle in Zürich getan hat.

Geladen waren vorwiegend, aber nicht ausschliesslich, Gäste aus Kunst und Kultur, dem Verlagswesen, den Zeitungen, dem Fernsehen: die Regisseurin und Schauspielerin Katja Früh, Viktor Giacobbo und Patrick Frey, Mona Vetsch, Roger Schawinski, der langjährige Fernsehjournalist Hans Bärenbold, Philipp Keel und Ruth Geiger vom Diogenes-Verlag, der Fotograf Alberto Venzago. Ausserdem die Ärztin Brida von Castelberg, der Anwalt Adriano Viganò sowie Sissi Zoebeli, Besitzerin einer Boutique im Zürcher Niederdorf. Und andere, welche die Unvollständigkeit dieser Aufzählung verzeihen mögen.
«Cüpli-Sozialisten»
«Linksliberale Zürcher Intellektuelle», sagt jemand, den man selber zu diesem Kreis zählen kann. Weil er dann noch die mittlerweile etwas abgedroschene, ursprünglich aber geniale Bezeichnung «Cüpli-Sozialisten» fallen lässt, will er hier nicht namentlich genannt werden.
Cüpli werden heute ohnehin keine serviert, sondern Allmen-Drinks. Benannt sind sie nach dem Helden von mittlerweile sechs Martin-Suter-Krimis, eigens kreiert hat sie der Kronenhalle-Barkeeper Christian Heiss. Das Getränk – eine Mischung aus Tequila, Mezcal, Koriander, Salz – ist von derartiger Süffigkeit und Durchschlagskraft, dass schon nach weniger als einer Stunde kaum mehr jemand über einen sicheren Zungenschlag verfügt.
Ruth Geiger und Martin Suters Gattin Margrith Nay Suter erwähnen, eigentlich sei dies erst der 18. wirkliche Geburtstag des Schriftstellers. Suter sagt, er habe meist nur alle vier Jahre gefeiert und wegen der langen Intervalle seinen Geburtstag manchmal ganz vergessen.
Den eigenen Geburtstag vergessen
Am Abend zuvor sei er nach der Verleihung der Swiss Music Awards in Luzern noch mit Gästen zusammengesessen. «Um Mitternacht haben alle ‹Happy Birthday› gesungen. Ich sang mit, ohne zu merken, dass ich gemeint war», erzählt Suter, und um allfällige Zweifel an dieser Episode zu zerstreuen, fügt er hinzu: «Fragen Sie Philipp Keel, der war dabei.»
Dass sich die Geburtstagsgäste eines Schriftstellers lobend über dessen literarisches Werk äussern, ist erwartbar, aber absolut o.k. Das häufigste Wort, mit dem sie im privaten Gespräch Suters Œuvre von insgesamt 16 Romanen würdigen, ist «unterhaltsam».

Natürlich ist das nicht abschätzig gemeint. Katja Früh: «Es spricht für einen Autor, wenn man gerne weiterliest. Und gerade Suters ironische Leichtigkeit ist künstlerisch schwer umzusetzen.» Patrick Frey: «Suter ist auf eine intelligente, sprachlich brillante Weise unterhaltsam. Ich finde es auch beeindruckend, wie souverän er Weltläufigkeit mit Schweizer Lokalkolorit verbindet.» Der Anwalt Viganò: «Bei ihm spürt man bei aller Ironie immer eine grosse Empathie zu Figuren und Geschichten.»

Roger Schawinski: «Es ist grossartig, wie er den Sprung vom Kolumnisten und Werber zum erfolgreichsten Schweizer Schriftsteller geschafft hat. Ich bewundere den Stil und Drive seiner Geschichten. Und dass er sich nicht scheut, seine Leser zu unterhalten.»
Während des Gesprächs beginnt Schawinski plötzlich Spanisch zu sprechen, und dies mit erstaunlich authentisch klingendem karibischem Akzent.

Ruth Geiger betont, wie hervorragend die Verfilmungen der Allmen-Krimis seien. Und dass es heute auch die Neugestaltung von Suters Website zu feiern gebe. Dort führt er unter anderem seine bekannten Kolumnen «Business Class» und «Richtig leben mit Geri Weibel» fort.
Ein einziger Gast setzt einen kritischen Kontrapunkt. Er habe nach Suters drittem oder viertem Roman aufgehört, weil er schlicht das literarische Interesse verloren habe.
Die Melancholie des Älterwerdens
Es ist ein unprätentiöses Fest, ohne Ansprache, ohne Torte und demzufolge auch ohne Kerzenausblasen. Die Gäste singen Happy Birthday und das mexikanische Geburtstagslied «Las mañanitas.» Suter wirkt distinguiert und etwas zurückhaltend. «Geburtstage machen mich nicht melancholisch, aber ich kenne die Melancholie des Älterwerdens», sagt er. Am erstaunlichsten sei, dass er sich innerlich immer noch genau gleich fühle wie früher, weshalb das subjektiv empfundene Alter nicht mehr richtig zum biografischen passe.
Irgendwann tritt ein Gast der Kronenhalle, der nicht zum Fest gehört, an den Tisch des Schriftstellers. «Dank Ihren Büchern habe ich zum Lesen gefunden», sagt er.

Als sich seine Freunde und Bekannten von Suter verabschieden, sagt jemand einen poetischen und jemand anders einen prosaischen Satz. «Es war wunderschön, wie der heutige Nachmittag in den Abend übergeflossen ist.» Und: «Ich habe schon lange nicht mehr so viel gesoffen.» Martin Suter kann mit der Feier zu seinem 72. Geburtstag zufrieden sein.
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