Arbeitstiere in der LandwirtschaftManchmal ist ein Pferd besser als ein Traktor
Maschinen sind nicht immer die beste Lösung: Zugtiere könnten helfen, Böden zu schonen, Emissionen einzusparen und Armut zu lindern. Experten fordern ein Umdenken.

«Eine Frau ohne Esel ist selbst der Esel», heisst ein afrikanisches Sprichwort. Als in Südafrika ein Buch herauskam, das davon handelte, wie man Kommunen stärken kann, war auf dem Titel eine lächelnde Frau abgebildet, deren Esel zwei Bottiche Wasser schleppt. Ein Politikerin fand das Bild beleidigend – Modernität wäre Wasser aus der Leitung, nicht Wassertransport durch einen Esel.
Dass Wasserleitungen mehr Komfort bedeuten, ist unzweifelhaft, doch diese Reaktion missachtete die Lebenswirklichkeit der Frau. 70 Prozent allen Agrarguts in Subsahara-Afrika werden auf dem Kopf transportiert, meist von Frauen. Hätte die Unternehmerin auf dem Titelbild keinen Esel, würde sie das Wasser selbst tragen. Die Alternative, vor der Millionen Menschen stehen, ist nicht Esel oder Wasserleitung – sondern Esel oder kein Esel.

Esel, Maultiere, Kamele, Elefanten, Lamas, Büffel, Pferde, Ochsen, Hunde und Rentiere dienten und dienen in manchen Landstrichen noch immer Menschen bei der Arbeit. Im Jahr 1981 stand Tierkraft als «erneuerbare Energie» erstmals auf der Agenda einer Konferenz der Vereinten Nationen. Ein Grossteil der kleinbäuerlichen, oft von Frauen geführten Betriebe im globalen Süden besitzt nach wie vor Tiere, die beim Transport oder auf dem Feld helfen.
«So gut wie überall herrscht das Bild vor, dass Arbeitstiere ein Zeichen der Rückständigkeit seien.»
Während es 1980 weltweit schätzungsweise 300 bis 400 Millionen Last- und Transporttiere gab, waren es 2010, als die jüngste Studie für die UN-Welternährungsorganisation FAO erstellt wurde, noch 200 bis 250 Millionen, wobei die Datenlage dürftig ist. In Asien und Europa sinken die Zahlen weiterhin, in Afrika steigen sie leicht an, in Nord- und Südamerika gibt es teils Rückgänge, teils Zunahmen.
Dass die Zahl insgesamt rückläufig ist, liegt offenbar auch am schlechten Image der Tierkraft. «So gut wie überall herrscht das Bild vor, dass Arbeitstiere ein Zeichen der Rückständigkeit seien», sagt Paul Starkey, Autor der FAO-Studie und jahrzehntelang weltweit in Forschung und Lehre tätig. «Bei Entscheidungsträgern, in den Medien, und schliesslich auch in der Bevölkerung, bei der Jugend, die über die Zukunft entscheidet.»

Programme, die Landwirtschaft fördern und Armut mindern sollen, berücksichtigen die Bedeutung von Ochs und Esel grösstenteils nicht. Es gibt kaum Studien darüber, ob Tierkraft nicht ein wichtiger Zwischenschritt aus der Armut in relativen Wohlstand sein könnte. Der Umgang mit Arbeitstieren steht in Landwirtschafts-Studiengängen oft nicht mehr auf dem Lehrplan.
Die mangelnde Aufmerksamkeit führt dazu, dass Tiere, die in ärmsten Gegenden nicht immer unter humanen Bedingungen gehalten werden, an denen jedoch die Existenz vieler Millionen Menschen hängt, kaum Fürsprecher haben. Tierschutzorganisationen existieren dort häufig nicht oder sind schlecht ausgestattet, internationale Vereine investieren eher in Kampagnen für Tiere in der Wildnis.
Grösserer Einsatz von Zugtieren
Massive Aufklärungsprogramme und vergleichsweise geringe Investitionen in bessere Zugtier-Techniken, Geräte, Materialien, Unterbringung und medizinische Versorgung müssten eigentlich viel mehr im Fokus stehen, um effektiv Armut zu bekämpfen und das Tierwohl zu fördern, hatte schon der 2012 gestorbene N. S. Ramaswamy gemahnt, der lange Zeit in Indien und international als Tierlobbyist unterwegs war.
Vielleicht kommt ein Lichtblick aus dem Norden: In Europa und Nordamerika fordern Interessengruppen wieder einen stärkeren, wissenschaftlich begleiteten Einsatz von Zugtieren in der Land- und Forstwirtschaft. «In der Bevölkerung trifft das auf sehr offene Ohren», sagt Pit Schlechter von der europäischen Vereinigung zur Zugtier-Förderung Fectu. Er hofft, dass entsprechende Studienergebnisse über die Grenzen hinaus zu einem Umdenken anregen.

Die Interessengemeinschaft Zugtiere e. V. macht zum Beispiel Lobbyarbeit dafür, dass in Deutschland vermehrt wieder Pferde Waldarbeit verrichten. Die sonst üblichen schweren Maschinen verdichten den Boden und können das feingliedrige Wurzelsystem schädigen, dadurch nimmt die Luft- und Wasserleitfähigkeit ab.
Die Vorteile von Zugtieren
Gerade im globalen Süden gibt es noch ein anderes Argument für Zugtiere: «Ein traditionell bewirtschaftetes Stück Land bietet einen hohen Grad an Resilienz und Eigenständigkeit», sagt Paul Starkey. Mechanisierung mache Bäuerinnen und Bauern von weit entfernt hergestellten Ersatzteilen und volatilen Ölmärkten abhängig.
Über Jahrhunderte gezüchtete, indigene Tierarten sind oft resistent gegen Krankheiten, bieten zudem nährstoffreichen Dung, eventuell Wolle oder Milch, kommen meist mit geografischen und klimatischen Bedingungen gut klar und können bei Wetterkapriolen eine bessere, flexiblere Lösung sein.
In sehr abgelegenen oder bergigen Regionen sind Traktoren oft gar nicht einsetzbar. Das altmodische Image und der Wunsch, «modern» zu sein, können zu unökonomischen Entscheidungen führen: Nicht immer kann man kleinteilige Landwirtschaft wirtschaftlich nachhaltig mit Traktoren betreiben. Wenn aber weniger Höfe Tiere halten, verschwinden auch Reparaturwerkstätten und Schmieden, wodurch sich noch weniger Menschen für Tierhaltung entscheiden – ein sich selbst verstärkender Trend.

Der entsprechende Artenverlust trifft nicht nur Entwicklungsländer: So sank zum Beispiel die Zahl Katalanischer Esel von mehreren Zehntausend auf nur noch wenige Hundert Exemplare, und auch der Balkanesel mit etwa 300 Tieren gilt als vom Aussterben bedroht. Was die verschiedenen Studien auch zeigen: Der Einsatz von Tieren ist nur für kleine Höfe sinnvoll, denn auf riesengrossen Feldern wäre er – aufgrund der hohen Lohnkosten und der niedrigeren Arbeitsgeschwindigkeit der Tiere – nicht wirtschaftlich.
Gerade das Fortbestehen kleinteiliger Landwirtschaft zu sichern, ist aber laut dem Weltagrarbericht das beste Mittel, um Armut vorzubeugen. Der Bericht, der von der FAO und der Weltbank initiiert wurde und an dem Hunderte internationaler Experten mitwirkten, betont den Vorzug kleinbäuerlicher (Familien-)Betriebe im ländlichen Raum und empfiehlt, auch «überliefertes Wissen und traditionelle Praktiken indigener Völker und dörflicher Gemeinschaften» einzubeziehen – wozu auch traditionelle Tierhaltung gehört.
«Die Armutsdebatte sollte sich darum drehen, wie man arme Menschen dabei unterstützt, dort, wo es sinnvoll ist, in angemessener Weise durch den Einsatz von Tieren zu profitieren.»
Experten betonen, dass sie nicht gegen technische Innovationen eintreten, sondern für eine sinnvolle Ergänzung, eine Debatte und faire Subventionierung. Tiere könnten in Entwicklungs- und Schwellenländern die Not lindern, bis nachhaltige Energieformen auch für Arme erschwinglich sind.
Für den Autor der FAO-Studie, Paul Starkey, ist klar: «Die Armutsdebatte sollte sich nicht darum drehen, wie Bauern mit mittlerem Einkommen Tiere durch Maschinen ersetzen. Sie sollte sich darum drehen, wie man arme Menschen dabei unterstützt, dort, wo es sinnvoll ist, in angemessener Weise durch den Einsatz von Tieren zu profitieren.»