Maman war seine grosse Liebe
Der französische Philosoph Roland Barthes hat nach dem Tod seiner geliebten Mutter ein Tagebuch verfasst. Nun liegt das berührende Werk in deutscher Übersetzung vor.
Es sind bloss kleine Zettel: wenig Platz, um das Wesentliche zu sagen, viel Platz, um das Unsagbare zu sagen. Auf ihnen hält Roland Barthes fest, was ihn nach dem Tod seiner Mutter, mit der er über 60 Jahre zusammenwohnte, bewegt. Nur einen Tag nach dem unfassbaren Verlust, am 26. Oktober 1977, setzt das Tagebuch ein. Manchmal steht nur ein Satz auf einer Seite, manchmal formen sich ein paar Gedanken zu einer Idee. Da Henriette Barthes kein Werk hinterlässt, «hängt die Erinnerung an sie ganz von mir ab». So will er erzählen von der unendlichen Güte der Mutter und der Geborgenheit in ihrer Nähe, die der Versicherung durch die Sprache nicht bedurfte. «Wieso Mam. in allem, was ich geschrieben habe, gegenwärtig ist: weil überall die Idee eines höchsten Gutes darin enthalten ist», heisst es am 31. Mai 1978. Seine Skizzen bleiben einem Satz treu, den er bereits ein halbes Jahr vor dem Tod der Mutter verfasste: «Man spricht nie über die Intelligenz einer Mutter, so als ob das hiesse, ihre Emotionalität zu schmälern, abzuwerten.»