«Malta ist zu einer Art schwarzem Loch in Europa geworden»
Wie kam es zum Autobomben-Mord an der Bloggerin Daphne Caruana Galizia? Ist Malta eine Mafia-Hochburg? Dazu Korrespondent Oliver Meiler.
In Malta ist gestern die investigative Bloggerin Daphne Caruana Galizia mit einer Autobombe in die Luft gesprengt worden. Ist Malta eine Hochburg der Mafia?
Mafia-Hochburg ist ein schwieriger Begriff, weil er nicht sehr präzise ist. Malta ist in den letzten Jahren aber tatsächlich zu einer Art schwarzem Loch in Europa geworden. Oder zu einem Panama im Mittelmeer, wie es die ermordete Journalistin Daphne Caruana einmal genannt hatte. Die Insel ist ein Stützpunkt und Rückzugsort für Mitglieder der italienischen Mafia, für Steuerhinterzieher, Geldwäscher und ehemalige Offiziere des libyschen Ex-Diktators Ghadhafi.
Welche politischen Umstände haben diese Entwicklung ermöglicht?
Ein wichtiger Faktor ist die fragwürdige Rolle, welche die regierende Labour-Partei spielt. Die ermordete Bloggerin hat in den letzten zwei Jahren heftige Vorwürfe gegen den maltesischen Ministerpräsidenten Joseph Muscat und dessen Partei erhoben. Sie hat alle wichtigen Mitglieder der Mitte-links-Regierung angegriffen: Neben dem Premierminister und dessen Frau auch den Kabinettschef und den Energieminister.
Was warf ihnen Caruana konkret vor?
Sie bezichtigte die Politiker unlauterer Geschäfte. Sie sollen in Panama, Neuseeland und anderswo Offshorefirmen gegründet haben, um Gelder zu waschen und zu verstecken. Einer der grossen Fälle, über den Caruana in den letzten Monaten berichtet hat, sind angebliche Schmiergeldzahlungen, die auf das Konto einer Offshorefirma in Panama geflossen sein sollen. Die Besitzerin dieser Firma ist laut der Bloggerin Michelle Muscat, die Frau des maltesischen Premiers. Und überwiesen hat die Summe angeblich die Tochter des aserbeidschanischen Diktators Ilcham Geidarowitsch Alijew, der mit Malta Geschäfte im Energiesektor abgeschlossen hatte.
Ereignen sich solche Affären erst, seit die Labour-Regierung an der Macht ist?
Nein, Korruptionsskandale gibt es auf der Insel schon seit langem und immer wieder. Malta stellt sich selber gerne als Kreuzpunkt zwischen Nordafrika und Europa dar. Die Malteser sagen von sich, dass ihre politische Tradition, ihre Auffassung vom Staat und seinen Institutionen eher im südlichen Rand des Mittelmeers wurzeln als im nördlichen. Dafür waren die Wahlen im letzten Juni ein eindrückliches Beispiel.
Inwiefern?
Die Labour-Partei hat die vorgezogenen Neuwahlen gewonnen, trotz der Korruptionsvorwürfe und der Skandale, in die wichtige Regierungsmitglieder verwickelt sind. Das hat damit zu tun, dass die grosse Gegnerin der Labour-Partei, die Nationalist Party, in der Vergangenheit ebenfalls häufig in Korruptionsskandale involviert war. Es gab also für die Wähler schlicht keine Möglichkeit, eine unverdächtige politische Kraft zu wählen. Man kann sich deshalb fragen, wie wahrscheinlich es ist, dass es sich bei der Ermordung der Bloggerin um eine rein politisch motivierte Tat handelt.
Warum?
Zum jetzigen Zeitpunkt sind das reine Spekulationen. Aber es stellt sich die Frage, inwiefern die Regierung nach den gewonnenen Neuwahlen ein Interesse daran haben konnte, die bekannteste Journalistin des Landes umbringen zu lassen. Das kann man sich eigentlich kaum vorstellen. Und Caruana selber hat kurz vor der Tat geschrieben, sie habe Angst vor ausländischen Kriminellengangs. Wenn man bedenkt, dass sie auch über einen Skandal im Zusammenhang mit Aserbeidschan geschrieben hat, erweitert sich das Feld der möglichen Verdächtigen ins nahezu Unermessliche.
In den letzten zwei Jahren gab es auf Malta sechs Anschläge mit Autobomben.
Das ist die klassische Mafia-Methode: Entweder man zündet die Bombe, wenn das Opfer in seinem Auto vorbeifährt. Auf diese Weise hat die sizilianische Mafia 1992 den Mafia-Jäger Giovanni Falcone ermordet. Oder man montiert die Bombe unter dem Auto, um sie im richtigen Moment per Handy zu aktivieren. Man geht in Malta davon aus, dass die Ermordung von Daphne Caruana von langer Hand geplant wurde.
Was war Daphne Caruana Galizia für ein Mensch?
Sie war schon immer eine Bloggerin mit einer unglaublich mutigen, lauten, frechen Stimme. Sie war eine Persönlichkeit, die weitaus bekannteste Journalistin auf Malta. Sie hat sich sehr viele Gegner geschaffen – auch deshalb, weil sie verbal manchmal äusserst aggressiv war. Es kam vor, dass Caruana hart und schnell austeilte, bevor sie ihre Beweise und Indizien auf den Tisch gelegt hatte. Das häufigste Adjektiv, mit dem sie in Malta beschrieben wird, ist «kontrovers».
Hatte Sie Personenschutz?
Vor zwei Wochen ging Caruana zur Polizei und sagte, sie fühle sich bedroht. Offensichtlich erhielt sie dennoch keinen Personenschutz. Als ihr Auto explodierte, war sie alleine unterwegs. Fünfundzwanzig Minuten vor der Tat hatte sie ihren letzten Blogeintrag geschrieben.
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