Maduros Regime veranstaltet eine Wahlfarce
Sicherheitskräfte verhindern die Wiederwahl des Parlamentspräsidenten Juan Guaidó. Schon am Dienstag könnte es zur nächsten Konfrontation kommen.

Venezuela ist ein Land mit zwei Staatschefs – und seit dem vergangenen Sonntag auch eines mit zwei Parlamentspräsidenten.
Es waren dramatische Szenen, die zu dieser verfahrenen Situation geführt haben. In der venezolanischen Hauptstadt Caracas hinderten Sicherheitskräfte den bisherigen Parlamentsvorsitzenden Juan Guaidó daran, das Abgeordnetenhaus zu betreten, wo dieser sich zur Wiederwahl stellen wollte. Guaidó versuchte gar, über den Zaun rund um das Gebäude zu klettern.
Vergeblich. Zusammen mit oppositionellen Abgeordneten musste der 36-Jährige vor dem Parlament bleiben. Zu den Sicherheitskräften sagte er gemäss der Nachrichtenagentur AP: «Ihr seid Komplizen derjenigen, die für den Hunger in Venezuela verantwortlich sind.»
Den Rechtsstaat demontiert
Während Guaidó vor dem Parlament von einer «Demontage des Rechtsstaats» sprach, liess sich drinnen Luis Parra in einer tumultartigen Sitzung zum neuen Parlamentsvorsitzenden wählen. Weil Abgeordnete auf die Pulte kletterten und laut schrien, musste sich Parra ein Megafon schnappen, um seine Ernennung zu verkünden.
Der 41-jährige Parra gehörte bis im Dezember der Opposition an. Er wurde jedoch nach Korruptionsvorwürfen aus einer Guaidó nahestehenden Partei ausgeschlossen. Danach ist er ins Maduro-Lager übergelaufen. Seine Kehrtwende zeigt sich auch auf seinen Social-Media-Profilen. Auf älteren Einträgen bezeichnete er Maduro noch als Rechtsbrecher.
Damit hat sich der Machtkampf zwischen dem sozialistischen Diktator Nicolás Maduro und Guaidó nach Monaten der relativen Ruhe wieder zugespitzt.
Der 36-Jährige hatte sich im Januar des letzten Jahres zum Staatschef ernannt. Dabei berief er sich auf die Verfassung, die es dem Parlamentspräsidenten erlaubt, sich als Staatschef ausrufen zu lassen, wenn der eigentliche Präsident seine Macht missbraucht. Guaidó wirft Maduro unter anderem vor, Wahlen gefälscht zu haben. Maduro sagte im Staatsfernsehen, sein Rivale sei nicht ins Parlament gegangen, weil er die nötigen Stimmen für die Wiederwahl nicht hatte. Eine zynische Aussage angesichts der Tatsache, dass die Regimegegner in der Legislative klar in der Mehrheit sind.
Die Opposition schwächelt
Die Opposition sprach von einem «parlamentarischen Staatsstreich» und weigerte sich, Parra als Parlamentspräsidenten anzuerkennen. Guaidó berief kurzerhand eine Sitzung in der Redaktion der oppositionellen Zeitung «El Nacional» ein und liess sich erneut zum Parlamentspräsidenten wählen.
US-Aussenminister Mike Pompeo begrüsste diese Wiederwahl Guaidós. Nur eine Übergangsregierung, die freie Präsidentenwahlen organisiere, könne die Krise beenden, twitterte er. Auch Brüssel werde bis zu einer angemessenen Wahl weiter Juan Guaidó als Parlamentspräsidenten anerkennen, sagte ein Sprecher des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell.
Zuletzt folgten Guaidós Aufrufen nur noch ein paar Tausend. Am Anfang des letzten Jahres waren es noch Hunderttausende.
Das Schweizer Aussendepartement zeigt sich «sehr besorgt» darüber, dass Juan Guaidó und andere Oppositionelle daran gehindert wurden, das Parlament zu betreten. Es handle sich um eine neue Verletzung der Gewaltentrennung und der Rechtsstaatlichkeit. Die Schweiz anerkenne Guaidó weiter als den demokratisch gewählten Parlamentspräsidenten.
Obwohl er international unterstützt wird, agiert Guaidó zunehmend aus der Defensive. Immer wieder hat er in den vergangenen Monaten versucht, die Regierung Maduro zu stürzen. Der Staatsapparat und vor allem das mächtige Militär blieben aber unter der Kontrolle des Diktators.
Auch hat Guaidó selbst an Popularität eingebüsst. Er paktierte mit Politikern, die in Korruptionsskandale verstrickt waren. Ebenso wurden Fotos publik, die ihn mit kolumbianischen Drogenbossen zeigten. Zuletzt folgten seinen Aufrufen zu Demonstrationen nur noch ein paar Tausend Menschen. Am Anfang des letzten Jahres kamen noch Hunderttausende.
Millionen müssen flüchten
Es scheint, als seien viele Venezolaner zu sehr mit dem täglichen Überlebenskampf beschäftigt, um sich gegen das Regime zu wehren. Die Menschen leiden an einer schweren Versorgungskrise. In den Spitälern fehlt es an Medikamenten, der Strom fällt aus, das Geld fürs Essen ist knapp. Gemäss dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen sind in den letzten Jahren 4,5 Millionen Venezolaner aus dem Land geflohen.
Der Machtkampf ist noch nicht beendet. Guaidó kündigte an, er wolle das Parlament heute Dienstag betreten. Es wird das nächste Kapitel im Machtkampf zwischen einem Diktator, der äusserst rücksichtslos agiert, und einem Herausforderer, der nur noch wenig zu verlieren hat.
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