Macron nennt Reformgegner «Faulenzer»
Der französische Präsident hat markige Worte gewählt, um seine Entschlossenheit bei der Umsetzung der Arbeitsmarktreform zu unterstreichen. Die Gegner sind empört.

Emmanuel Macrons Worte waren nicht gerade ein Musterbeispiel für politische Deeskalation. Eher hat Frankreichs Staatschef im Streit um seine umkämpfte Arbeitsmarktreform kräftig Öl ins Feuer gegossen: Er werde sich von «Faulenzern» nicht aufhalten lassen, warnte der sozialliberale Präsident. Vor dem ersten grossen Protesttag gegen die Lockerung des Arbeitsrechts am Dienstag hat die Äusserung für Empörung gesorgt - und könnte der Protestbewegung kräftigen Zulauf bescheren. Bei einem Besuch in Athen hatte Macron am vergangenen Freitag diesen bemerkenswerten Satz über seinen Reformwillen von sich gegeben: «Ich werde absolut entschlossen sein, ich werde weder vor den Faulenzern, noch den Zynikern, noch den Extremen zurückweichen.»
Wen genau der junge Präsident mit «Faulenzern» meinte, blieb offen - doch das Wort war eine Steilvorlage für seine politischen Gegner, die dem erfolgsverwöhnten Ex-Investmentbanker seit jeher elitäre Arroganz vorwerfen. Zumal niemand vergessen hat, wie Macron in seiner Zeit als Wirtschaftsminister einen Gewerkschaftler anschnauzte, wer sich einen Anzug leisten wolle, solle gefälligst arbeiten.
Reaktion kam sofort
«Macron mag die Franzosen nicht», wetterte Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon jetzt. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen ätzte: «Die Liebeserklärungen Macrons an die Franzosen mehren sich.» Und der Chef der Linksaussen-Gewerkschaft CGT, Philippe Martinez, treibende Kraft hinter den Protesten vom Dienstag, sah in den Worten des Präsidenten eine Beleidigung von «Millionen Arbeitslosen und Menschen in unsicheren Arbeitsverhältnissen».
Regierungssprecher Christophe Castaner versuchte eilig darzulegen, der Präsident habe in Wirklichkeit auf all jene abgezielt, die in den vergangenen Jahrzehnten nicht den «Mut für die notwendigen Reformen» gehabt hätten - namentlich seine Vorgänger François Hollande, Nicolas Sarkozy und Jacques Chirac. Wirklich überzeugen konnte das nicht.
Und so könnte der ohnehin schon in Umfragen abgestürzte Präsident am Dienstag die Quittung für seine Äusserung serviert bekommen. «Wenn Emmanuel Macron das Ziel verfolgt hätte, möglichst viele Franzosen auf die Strasse zu bringen, dann hätte er es nicht anders angestellt», kommentierte die linke Tageszeitung «Libération» trocken. Mit Spannung wird erwartet, wie gross die Demonstrationen und Streiks ausfallen werden - ein wichtiger politischer Stimmungsmesser. Landesweit sind nach Angaben der CGT an 180 Orten Demonstrationen geplant, es gibt mehr als 4000 Streikaufrufe unter anderem bei der Staatsbahn SNCF, bei den Pariser Verkehrsbetrieben, bei der Fluggesellschaft Air France, in Raffinerien, im Stromsektor, in Schulen und Universitäten.
Doch die Gewerkschaften sind gespalten im Umgang mit der Reform, die sie als Aushöhlung von Arbeitnehmerrechten anprangern. Anders als bei einer Arbeitsmarktreform unter Hollande im Sommer 2016 hat die Führung der Gewerkschaft Force Ouvrière (FO) beschlossen, sich nicht an den Protesten zu beteiligen. Die reformorientierte CFDT setzt auf Dialog anstelle von Konfrontation. Experten erwarteten bislang, dass die Protestbewegung deutlich schwächer ausfallen dürfte als im vergangenen Jahr. Zumal der im Mai gewählte Macron die Verordnungen zur Arbeitsmarktreform im Sommer erarbeiten liess und sie schon am 22. September verabschieden lassen will - da bleibt nicht viel Zeit für Proteste.
Reformpolitiker ohne Reform
«Der Unmut wächst», konstatiert jetzt aber der Politikwissenschaftler Bruno Cautrès. Macron werde mehr und mehr als «Präsident der sozialen Ungerechtigkeit» angesehen. «Mit der Äusserung zu den 'Faulenzern' sind alle Zutaten dafür gegeben, dass es heiss wird.»
Der Umgang mit den Protesten wird für den Präsidenten eine heikle Gradwanderung: Der 39-Jährige darf nicht nachgeben, um seinen Ruf als dynamischer Reformpolitiker nicht zu beschädigen. Zugleich muss er Signale nach links aussenden, um nicht als kaltherziger Neoliberaler dazustehen.
Am Tag der Proteste jedenfalls wird Macron weit weg von Paris unterwegs sein: Er besucht am Dienstag die von Hurrikan «Irma» verwüstete Karibikinsel Saint-Martin.
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