«Macht dich das trotzdem an?»
Model und Nationalratskandidatin Tamy Glauser schlug sich gut bei Roger Schawinski auf SRF, trotz wenig Redezeit und seltsamer Fragen.
«Ich bin jemand, der immer wieder mal polarisiert, es aber grundsätzlich immer mit Liebe meint» – so stellte sich Tamy Glauser gestern Abend auf SRF bei Roger Schawinski vor. Polarisiert hat die 34-Jährige kürzlich mit der Aussage über Veganer, deren Blut angeblich Krebszellen töten soll. Ungeschickt für eine derart prominente Nationalratskandidatin der Grünen. Das wurde jedoch auch der Frischnominierten schnell klar. Noch bevor sie bei Schawinski sass, entschuldigte sie sich für ihren Fehltritt – und tat es in der Sendung erneut.
Überhaupt gestand Glauser sämtliche eigene Unzulänglichkeiten ein, mit denen sie Schawinski konfrontierte. Sein bisweilen unsensibles Fragefeuer, ohne ganze Antworten zuzulassen, nahm sie gelassen, egal, ob es um ihre schwierige Vergangenheit oder um frühere sexuelle Eskapaden im Modelbusiness ging. Nun stehe ohnehin ein Szenenwechsel an, so der Talkmaster. Im Nationalratssaal sehe es anders aus als in der «Vogue», nicht so «sexy». «Macht dich das trotzdem an?»
Es braucht fast schon Mut – oder ist es Dreistheit? –, um solche Formulierungen zu verwenden. Schawinski tut es trotzdem. Auch das kein Problem für Glauser. Den Nationalrat finde sie ebenso spannend. Zuvor erklärte sie noch kurz, dass sie der Freundin wegen «geruhigt» habe, unabhängig von der Szene.
Betreffend ihrer Glaubwürdigkeit sieht sie kein Problem, auch wenn Schawinski fand, dass sie jetzt «grausam aufpassen» müsse. Vorurteile über dumme Models, viele Geschäftsflüge, Arbeiten für die Modeindustrie, die den Konsum und die Sexualisierung des weiblichen Körpers fördere. Glauser gesteht alle Widersprüche ein, verurteilt Schattenseiten ihres Berufs und stellt klar, dass sie zurzeit andere Prioritäten als das Modeln habe und mehr in Zürich sei.
Doch der Glamourfaktor bleibt. Ob das nicht unfair sei, wenn sie damit jene überhole, die jahrelang für ihre Listenplätze gekämpft hätten. Auch da zeigt Glauser, dass es ihr nicht ums Gewinnen geht oder darum, die Oberhand zu behalten. Auch wenn sie niemanden überhole und dank ihrer Prominenz einfach ein paar Sitze gutmache für die Partei, wäre das doch «super geil».
Ein erfrischender Zugang. Trotzdem lösen einige Aussagen von Glauser Stirnrunzeln aus, etwa als sie betreffend die Veganerblut-Affäre sagt, dass sie sich nicht bewusst gewesen sei, welches Sprachrohr sie habe – mit über 17'000 Followern auf Instagram, mit welchen sie diese Aussagen geteilt hatte. Als Schawinski sie fragt, wie sie die Bundesratswahl vor Ort erlebt habe, meinte Glauser, es sei wie in der Netflix-Serie «House of Cards» gewesen, die Luft voller Intrigen.
Aber: Glauser macht keinen Hehl aus ihrem Nachholbedarf auf der politischen Bühne. Sie lese viel, zurzeit «What Works» von Iris Bohnet, Harvard-Professorin – Schawinski dazu «Harvard, jawohl», als wäre seine Sendung eine Prüfung. Am Ende der Sendung lädt sie ihn trotzdem zu ihrer Hochzeit ein, sollte es denn eine geben, denn «Ehe für alle» bedeute ja nicht, dass nun alle unüberlegt heiraten sollten.
Ihr Auftritt wirkte wie ein Statement: Sie hat es nicht nötig, mit Schawinski darüber zu streiten, welche Fragen angemessen sind und welche nicht. Sie hat es auch nicht nötig, als makelloses Aushängeschild für Diversität in den Wahlkampf zu steigen. «Jeder macht seinen Weg und gibt sein Bestes.» Ob es Glauser damit in den Nationalrat schafft, entscheiden die Wählerinnen und Wähler.
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