125 Jahre nach 1. ZionistenkongressLinksextreme fordern Absage der Jubiläumsfeiern in Basel
Anonyme Gruppen und Einzelpersonen rufen sowohl zu einer Gegenveranstaltung als auch zu einer Demonstration gegen den Zionistenkongress auf.

Die Vorwürfe haben es in sich: Israel sei ein Apartheidregime, der Zionismus eine rassistisch und kolonialistische Ideologie. Mit diesen Worten treten Gegner des Basler Herzl-Jubiläums auf der einschlägigen Website «Barrikade» an die Öffentlichkeit. Anlass ist die 125-Jahr-Feier des ersten Zionistenkongresses von 1897 im Basler Stadtcasino, die Ende August stattfindet. Die antizionistischen Kritiker der Veranstaltung rufen Basel nun dazu auf, den Anlass abzusagen. Sie tun dies anonym. Das Onlineportal «Prime News» hat als Erstes über den Aufruf berichtet.
Gegen den Staat Israel
In ihrem Aufruf schreiben die anonymen Autoren wörtlich: «Der Zionismus ist die ideologische Grundlage des Staates Israel, eines der letzten siedlerkolonialistischen Projekte des 21. Jahrhunderts, welches seit Jahrzehnten den Landraub, die Vertreibung und die ethnische Säuberung des palästinensischen Volkes legitimiert und zu einem Apartheidregime führte.»
Für sie ist klar: «Palästinenser:innen» würden systematisch ihrer Rechte beraubt, einschliesslich des Rechts auf «Rückkehr in ihr Heimatland» – «unabhängig davon, ob sie im Gazastreifen, in Ostjerusalem, im Westjordanland oder in Israel selbst leben».
Die Kritik richtet sich somit nicht nur gegen vergangene oder aktuelle Politik des jüdischen Staats – sondern gegen seine ideologische Grundlage und damit gegen seine Existenz. «Wir verurteilen die Schweiz und die Stadt Basel dafür, dass sie einen unterdrückerischen Staat und dessen rassistische und kolonialistische Ideologie feiern», schreiben die anonymen Kritiker.
Erik Petry, Professor am Zentrum für Jüdische Studien der Universität Basel, kennt diese Haltung. Erst kürzlich hat er sich in einem BaZ-Interview über den zunehmenden Antisemitismus und Anti-Israelismus in Europa geäussert. Er sagt, konfrontiert mit dem Schreiben: «Hier bleibt es bei der schon altbekannten Haltung: Zionismus ist Rassismus, Kolonialismus und ethnische Säuberung.» Es sei dies eine klassische Argumentation von «linksextremer Seite», sagt Petry, die eigentlich gegen Staatsgebilde und Vorstellungen eines Volkes ist. Also wird mit Schlagworten wie zum Beispiel «siedlerkolonialistisch» operiert – «was Israel übrigens genau nicht ist».
Und Petry sagt auch: «Hier wird vermeintlich progressiv argumentiert, dann aber doch völlig auf den dazu nicht passenden Begriff des ‹Volkes›, der hier exklusiv für das palästinensische Volk vorbehalten bleibt, zurückgegriffen.»
In Kontakt mit der Polizei
Trotz dieses erkennbaren Widerspruchs rufen die Zionismusgegner nun zu einer Gegenveranstaltung zu den Jubiläumsfeierlichkeiten und zu einer Demonstration auf. Gerne hätte die BaZ über die Motive gesprochen: Eine Nachfrage über eine anonymisierte Mail-Adresse wurde bis Redaktionsschluss aber nicht beantwortet.
Kontakt mit zumindest einem Teil der sich bedeckt haltenden Kritiker hat aber die Kantonspolizei Basel-Stadt. Das sagt Polizeisprecher Adrian Plachesi der BaZ. Viel mehr sagt er nicht: «Polizeitaktische Gründe». Klar ist: Stand jetzt ist eine Gegendemonstration weder beantragt noch bewilligt – noch sei kein Gesuch eingegangen, sagt Plachesi.
Die Situation ist aber bereits jetzt angespannt: In Basel werden am Wochenende und an der Gala vom 29. August am historischen Kongressort rund 1200 illustre Gäste erwartet, darunter der israelische Staatspräsident Isaac Herzog. Passieren darf hier nichts. Trotz der Entspannung zwischen Israel und der sunnitisch-arabischen Welt ist die Bedrohung gross, das Sicherheitsdispositiv entsprechend enorm.
Auch Ausschreitungen und Angriffe, wie sie etwa an der Demo vom 1. Mai mit der Attacke auf einen BaZ-Fotografen vorgekommen sind, sollen um jeden Preis unterbunden werden. Das weiss auch die Basler Polizei.
Das hat seinen Preis: Insgesamt belaufen sich die Sicherheitsmassnahmen auf 5,7 Millionen Franken, die sich der Kanton und der Bund teilen. Es kommt gar zu einem Armeeeinsatz. So werden rund 700 Soldaten die Sicherheitskräfte unterstützen. Der Luftraum über der Innenstadt ist gesperrt.
Trotzdem ist aber Protest möglich, sofern er bewilligt ist. Können bei diesem Hochrisikoanlass aber Regeln aufgestellt werden? Etwa dass die Demo nicht im Raum Barfüsserplatz stattfinden kann, um räumliche Distanz zu schaffen? Plachesi sagt: «Grundsätzlich kann die Kantonspolizei Veranstaltern Auflagen machen, um eine Demonstration oder Kundgebung bewilligungsfähig zu machen. So könnte beispielsweise nur eine Standkundgebung bewilligt werden oder nur eine definierte Route.»
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