5,7 Millionen Franken DefizitLiestal befindet sich in finanzieller Schieflage
Extrem hohe Sozialhilfekosten, Zentrumsleistungen und jetzt auch noch die Corona-Pandemie rauben dem Stedtli den Atem.

Liestals Stadtpräsident und Finanzchef Daniel Spinnler (FDP) ist nicht zu beneiden. Er, der immer für einen gerechten Lastenausgleich unter den Gemeinden und für ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Kanton und Gemeinden gekämpft hat, wusste stets, dass die Situation zahlreicher Gemeinden längst nicht so rosig ist, wie sie mitunter von den kantonalen Finanzverantwortlichen dargestellt wurde. Liestal beispielsweise sei noch nie reich gewesen, sagt Spinnler. «Aber in jüngster Zeit mussten wir immer mal wieder gegen den falschen Eindruck ankämpfen, dass es uns aufgrund der regen Entwicklungsdynamik finanziell gut geht», so der Stadtpräsident.
Tatsächlich hat sich die rege Bautätigkeit auf die Stadtkasse noch nicht positiv ausgewirkt. Die neusten Zahlen belegen jedenfalls schwarz auf weiss, dass es Liestal nicht gut geht. Die Kantonshauptstadt mit einem Steuerfuss von hohen 65 Prozent budgetiert nämlich für 2021 einen Fehlbetrag von 5,7 Millionen Franken.
Damit sind in Liestal nicht nur die guten, sondern auch die mittelmässigen Jahre zu Ende. Bis ins Jahr 2013 war es möglich, den Schuldenberg von einst 60 auf 15 Millionen Franken abzubauen. Dies allerdings auch nur, weil man kleine Brötchen gebacken und die Investitionen vernachlässigt hatte. Immerhin konnte für 2014 der Steuerfuss von 66 auf 65 Prozent gesenkt werden. Damit war der «finanzielle Höhepunkt» aber gleich auch wieder überschritten.
Extrem hohe Sozialhilfekosten
Schuld an der derzeitigen finanziellen Schieflage sind in hohem Masse Faktoren, die Liestal – und die Gemeinden im Allgemeinen – nur schwer oder überhaupt nicht beeinflussen kann. Da sind zum einen die im kantonalen Vergleich extrem hohen Sozialhilfekosten, die aufgrund der Corona-Pandemie noch einmal steigen werden. Läge die Stadt nämlich bei den Sozialhilfekosten im kantonalen Durchschnitt von 281 Franken pro Einwohner und nicht rund doppelt so hoch, hätte sie 5,7 Millionen Franken weniger Ausgaben. Diese Summe aber entspricht nicht nur 11 Steuerprozent, sondern auch exakt dem budgetierten Defizit für 2021.
Im Asylwesen steigt die Zahl der Personen, für welche die kommunale Sozialhilfe aufkommen muss, ohne dass die Gemeinden zur Verfahrensdauer auf Bundesebene auch nur das Geringste zu sagen haben. Diese Kosten schlagen 2021 mit 1,7 Millionen (+700’000) Franken zu Buche. Zudem nehmen die beiden Posten Bildung und Alter zu. Bei letzterem steigt die finanzielle Belastung 2021 durch die Erhöhung der Pflegenormkosten an die Altersheime erneut um 600’000 Franken.
Und dann noch Corona
Und als ob das für die sensible Stadtkasse nicht schon genug wäre, kommen jetzt noch die Folgen der Corona-Pandemie hinzu. Diese sind für Liestal happig. Bei den Steuern der natürlichen Personen wird gegenüber dem letztjährigen Entwicklungsplan eine Million Franken weniger erwartet. «Und weil die Krise bei den Gemeinden zu Ertragsausfällen führt, fallen für Liestal Einnahmen aus dem Finanzausgleich in der Höhe von 2,9 Millionen Franken weg», sagt Daniel Spinnler. Damit fällt auch die vom Kanton in Aussicht gestellte Abfederung der Senkung der Unternehmenssteuerreform SV 17 über den Finanzausgleich aus.
Unter diesen Umständen kann die Stadt weder die laufenden Kosten noch die Investitionen aus eigener Kraft stemmen. Dazu ist eine Fremdkapitalaufnahme von 9,1 Millionen Franken nötig. Die Nettoschuld pro Einwohner steigt damit auf 2032 Franken.
Nun könnte man denken, dass ein der Pandemie folgender Wirtschaftsaufschwung die Sache wieder einrenken würde. Doch genau das trifft im Fall von Liestal nur ganz bedingt zu. «3 der 5,7 Defizitmillionen sind strukturell. Ohne einschneidende Sparmassnahmen hätten wir 2026 kein Eigenkapital mehr», sagt Spinnler. Will heissen: Wäre die Stadt ein privates Unternehmen, müsste sie dann die Bilanz deponieren.
Aufgaben überprüfen
Entsprechend muss auf nicht dringliche Investionen verzichtet werden. Erstes Opfer dabei ist das Schulhaus Rotacker, dessen Totalsanierung auf unbestimmte Zeit verschoben wird. Und dann soll 2021 eine Aufgabenprüfung durchgeführt werden. Diese möchte Daniel Spinnler allerdings nicht auf die Schulen und die städtische Verwaltung beschränken, sondern auch Unzulänglichkeiten in der Aufgabenteilung zwischen Bund, Kanton und Gemeinden mit einbeziehen und «durch politische Arbeit beseitigen». Es ist also durchaus vorstellbar, dass der Kanton wieder einmal mit einer Gemeindeinitiative konfrontiert werden könnte. ««Mittelfristig wollen wir aber mit dem Kanton Stärken weiterentwickeln, die das Baselbiet insgesamt weiterbringen, und nicht nur an einigen Schräubchen beim Finanzausgleich drehen», meint Spinnler.
Nicht verzichten will man indessen auf Entwicklungsprojekte im Zusammenhang mit dem neuen Bahnhof sowie auf die Weiterentwicklung der Allee und des Planungsperimeters im Bereich der Rheinstrasse. Schliesslich soll Liestal für Zuzüger trotz allem attraktiv bleiben.

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