L'Europe, c'est moi
Emmanuel Macron präsentiert sich als der grosse Retter der EU. Damit verfolgt er vor allem innenpolitische Ziele.

Einen guten Monat hat Emmanuel Macron gebraucht, um sich vom Zweitplatzierten zurück in die Rolle des Gewinners zu schieben. Bei der Wahl zum Europaparlament lag die Partei von Frankreichs Präsident einen Prozentpunkt hinter dem rechtsextremen Rassemblement National. Doch am Ende dieser europäischen Gipfelwoche ist Macrons Ruf wiederhergestellt: Frankreichs Präsident ist der Mann, ohne den in Europa nichts entschieden werden kann. «Wenn der Präsident der Republik nicht die konstruktive Rolle übernommen hätte, die ihm in den Diskussionen zukam, ich wüsste nicht, wo wir heute stünden» – gestern verneigte sich Frankreichs Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten, Amélie de Montchalin, auf Twitter vor ihrem Staatschef. Die offizielle Lesart des Macron-Teams lautet folglich: Monsieur le Président hat die Ehre der EU gerettet.
Noch am Montag war Macron in Brüssel verstimmt vor die europäische Presse getreten. Die Suche nach einem gemeinsamen Kandidaten beziehungsweise einer Kandidatin für den Vorsitz der Europäischen Kommission zog sich hin. Und Macron sprach wie einer, der nicht Teil des Systems ist: «Was fehlt, sind der Geist und der Wille, die Interessen Europas zu vertreten.» Frankreichs Präsident redete vom «Scheitern» des Gipfels, von «zu langen Meetings, bei denen nichts entschieden wird», von einem «Europa, das seine Aufgaben nicht ernst nimmt».
Mit dem Gestus des Erneuerers, der noch nicht vom System geschliffen wurde, gelang es Macron 2017, in Frankreich zum Präsidenten gewählt zu werden. In Paris hat sich diese Haltung abgenutzt, in Brüssel scheint sie noch zu funktionieren. Fest steht: Die französische Presse feiert Macron für seine Erfolge auf europäischer Ebene. Dafür, dass es ihm gelungen sei, das Prinzip des Spitzenkandidaten zu umgehen. Dafür, dass er den CSU-Politiker Manfred Weber als Kommissionspräsidenten verhinderte. Dafür, dass er mit Angela Merkel Einigkeit bewiesen habe und dadurch das deutsch-französische Tandem stärkte. Dafür, dass es ihm gelungen sei, die Französin Christine Lagarde an die Spitze der Zentralbank zu setzen.
Einsatz für von der Leyen
«Wir wollen eine Gruppe sein, ohne die im Europäischen Parlament nichts entschieden werden kann», hiess es aus den Reihen der Macron-Partei La République en Marche (LREM) im Europawahlkampf. Macron machte klar, dass es nicht nur um die Rolle der Franzosen im Europäischen Parlament ging. Frankreich sollte nicht nur möglichst viele LREM-Abgeordnete ins Parlament wählen, es sollte darauf vertrauen, dass sein Präsident in Europa eine dominierende Rolle einnimmt.
Aus Macrons Perspektive erfüllt die Einigung des Europäischen Rats auf Ursula von der Leyen Kriterien, die ihm die Zusammenarbeit mit ihr erleichtern. Erstens spricht die Deutsche Französisch. Zweitens hat von der Leyen durch ihr Engagement für das deutsch-französische Kampfflugsystem FCAS bewiesen, dass sie an der von Frankreich gewünschten Vertiefung der militärischen Kooperation in Europa arbeiten will. Drittens sollte Macrons Vorschlag, von der Leyenzu ernennen, beweisen, dass sein Widerwille gegenüber Manfred Weber nichts mit dessen Nationalität zu tun hat. Im Auf und Ab der deutsch-französischen Partnerschaft wird aktuell wieder die Harmonie beschworen. In den Wochen vor der Europawahl hatte man im Elysée den Ton gegenüber Merkel verschärft, um sicherzustellen, dass kein Wähler Macron unterstellt, was in Frankreich besonders schlecht ankommt: ein unterwürfiges Verhältnis zu Deutschland.
Merkel an Parade eingeladen
Als Merkel über ihr Verhältnis zu Macron sagte, «Sicher, wir ringen miteinander», übersetzten französische Medien: «Wir haben eine konfliktreiche Beziehung.» Doch nun sind die Wochen, in der beidseits des Rheins nach dem grossen Konflikt gesucht wird, vorerst beendet. Wie zum Beweis hat sich Merkel als Gast für die Militärparade am französischen Nationalfeiertag angekündigt. Die Parade dürfte dazu dienen, die deutsch-französische Freundschaft zu bekräftigen.
Das Image des Machers auf EU-Ebene kommt für Macron auch innenpolitisch zu einem günstigen Zeitpunkt. Im März 2020 stehen die Kommunalwahlen in Frankreich an, und die Parteien stecken bereits in den Vorbereitungen. Bei den letzten Kommunalwahlen 2014 war die Regierungspartei La République en Marche noch nicht gegründet. Durch ihr Entstehen hat sich die Parteienlandschaft grundlegend verändert. Weder Sozialisten noch Republikaner sind bei der Europawahl im Mai auf mehr als zehn Prozent gekommen.
Für Macron und sein Team wird es in den kommenden Monaten darum gehen, Bürgermeister der konservativen Republikaner davon zu überzeugen, künftig für La République en Marche anzutreten. Macrons besonderes Gewicht auf EU-Ebene hilft ihm dabei, auch innenpolitisch als durchsetzungsfähiger Staatschef wahrgenommen zu werden.
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