Canyoning-Unglück in Vättis SGLeiche wird nach acht Monaten Suche gefunden
Eine der grössten Suchaktionen der vergangenen Jahre verlief lange erfolglos. Nun wurde der Leichnam des verschollenen Spaniers in der Parlitobelschlucht entdeckt – eher zufällig.

Es ist ein Zufallsfund, der diesen ausserordentlichen Fall beendet. Ein Mann räumt vergangenen Mittwoch Schnee am Gigerwaldstausee SG, als er auf der anderen Uferseite etwas Auffälliges sieht. Ein Fernglas bringt die Bestätigung. Ein toter Mann. Der verschollene Spanier. Er trägt noch Kleider, die Monate unter Wasser und Schlamm haben die Leiche gezeichnet. «Wir gehen davon aus, dass der Mann sehr tief vergraben war», sagt Florian Schneider von der Kantonspolizei St. Gallen.
Monatelang hat die Polizei darum vergebens nach dem Spanier gesucht. Es ist eine Suche, die in ihrem Ausmass schweizweit wohl einzigartig ist (lesen Sie mehr dazu hier). Auslöser war ein schweres Unwetter im vergangenen Herbst. Am 12. August stiegen vier Spanier, alle erfahrene Canyoning-Sportler, in die Parlitobelschlucht in Vättis SG. Eine steile Schlucht, die bei schönem Wetter verlockend schön aussieht, sich aber bei heftigen Niederschlägen sehr schnell mit Wasser füllen kann. Ein solches Unwetter muss die vier Männer überrascht haben, sie werden von den Wasser- und Geröllmassen mit- und in den Tod gerissen.
Helikopter und Drohnen rückten noch am selben Abend an, mit ihnen Hundeführer mit ihren Hunden, alpine Experten und Canyoning-Spezialisten, die mit Helikoptern in die Schlucht abgeseilt werden. Rund 100 Helfer suchten an diesem Abend nach Überlebenden – sie fanden noch bis zum nächsten Morgen drei Spanier. Einer aber, Diego M. (38) aus Navarro, blieb verschollen.
Die Sorgen der Angehörigen
Über Monate sucht die Polizei nun nach ihm. Mit Sondierstangen und Metalldetektoren. Im See mit Sonarbooten und Tauchern. Die Sicht ist schlecht, nur gut 30 Zentimeter weit sehen die Taucher unter Wasser. Trotzdem tastet man sich Meter um Meter vor und sucht eine Fläche von sieben Fussballfeldern ab. «Wir geben nicht auf», sagte damals Feldweibel Christian Baumann, Chef der Taucher der Kantonspolizei St. Gallen. «Doch die Suche braucht Zeit und Geduld, vielleicht mehr, als die Angehörigen haben.»
Diese wollten erst in die Schweiz reisen und bei der Suche mithelfen, die Polizei kann ihnen aber versichern, dass man alles Mögliche tue. Man findet Seilstücke, ein Hund riecht im September Verwesungsgeruch, ein Bagger gräbt darauf ein Loch, 2,5 Meter tief, doch auch bei dieser Aktion steht im Suchprotokoll das Verdikt: erfolglos. Ebenso im April, als Suchkräfte einen Helm und einen Wanderschuh finden.
Wie viel darf es kosten?
Bleibt eine Person länger verschollen, taucht irgendwann stets die gleiche Frage auf: Ist der Aufwand noch verhältnismässig? Lohnt es sich, für eine tote Person so viel zu investieren? Die Suche wird zur Ressourcenfrage. Längst hat die Kantonspolizei St. Gallen über 1000 Mannstunden investiert, selbst dann, als es bereits aussichtslos war, dass Diego M. lebend geborgen werden würde. «Unsere Suche war immer verhältnismässig», sagt Polizeisprecher Florian Schneider. Man habe gewöhnliche Trainingseinheiten vor Ort durchgeführt und Patrouillendienste nach Vättis verlegt. Wie viel das Ganze koste, könne man nicht beziffern, die Suchaktionen seien aber stets in die tägliche Arbeit eingebunden gewesen.
«Wir sind froh, dass wir diesen Einsatz nun beenden können», sagt Schneider. Die Suche endet, wie es von den Polizisten bereits im Herbst prophezeit wurde. Damals sagten sie, dass es wohl weitere heftige Regenfälle brauche, damit die Leiche freigelegt werde. Wegen des Schnees und möglichen Lawinen musste man die Suche zwischenzeitlich unterbrechen. Die Unwetter der vergangenen Wochen haben nun die Schlucht und den Mündungsbereich derart umspült und umgewälzt, dass schliesslich der verschollene Spanier an die Oberfläche kam.
Mittels DNA-Analyse konnte Diego M. identifiziert werden. Die Rückführung der Leiche ist laut der spanischen Zeitung «El Diario Vasco» im Gange. Für die Angehörigen endet eine schwierige Zeit. Sie können den Verschollenen beerdigen.
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