Prozess um versklavtes MädchenLebenslange Haft für IS-Anhänger wegen Tod von Fünfjähriger
Taha Al-J. hielt eine Jesidin und ihre Tochter als Sklavinnen. Das Mädchen liess er qualvoll verdursten. Nach der Urteilsverkündung in Frankfurt sackt der Angeklagte zusammen.

Im Prozess um den Tod eines versklavten jesidischen Mädchens hat ein deutsches Gericht den Angeklagten zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sprachen den Iraker Taha Al-J. am Dienstag des Völkermordes und eines Kriegsverbrechens mit Todesfolge für schuldig. Zudem muss er der Mutter des Mädchens Schadenersatz in Höhe 50’000 Euro zahlen.
Der Vorsitzende Richter Christoph Koller sprach vom weltweit ersten Urteil wegen der Verbrechen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an der Minderheit der Jesiden. Während der Vorbemerkungen zur Urteilsbegründung sackte der Angeklagte im Saal zusammen, die Sitzung wurde unterbrochen.
Frau nennt ihn gewalttätig
Al-J. soll als mutmassliches IS-Mitglied unter anderem zwischen Juli und September 2015 eine Jesidin und ihre Tochter als Sklavinnen gehalten und misshandelt haben. Um die Fünfjährige zu bestrafen, soll er sie bei glühender Hitze an ein Fenstergitter im Hof des Anwesens im irakischen Falludscha gefesselt haben, wo das Kind laut Anklage qualvoll verdurstete.
Ihr sei das Herz stehen geblieben, sagte die Mutter zwei Jahre später einer Hilfsorganisation, nachdem sie wieder in Freiheit war. «Mama», röchelte die Tochter. Dann sagte sie nichts mehr. Und die Mutter stand am Fenster und traute sich nicht raus aus Angst vor ihrem Peiniger, aus Schwäche nach der Hitze-Folter. Eine halbe Stunde dauerte die Qual. Sie habe sich die Haare ausgerissen vor Kummer und hatte nur Kraft für ein Stossgebet. «Hoffentlich wird Gott ihnen das zurückgeben, hoffentlich werden sie für ihre Taten bestraft.»
Der IS verfolgte die Religionsgemeinschaft der Jesiden systematisch. Jennifer W., die ehemalige Frau von Al-J., mit der er nach islamischem Ritus verheiratet war, war im Oktober vom OLG München zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt worden (unser Bericht dazu: Die Sklavenhalterin). Als Zeugin im Prozess gegen Al-J. hatte sie ihren früheren Mann als gewalttätig beschrieben. Al-J. selbst hat sich zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen nicht geäussert.
Einmal alarmierte ein syrischer Flüchtling seine Betreuer, als er Jennifer W. dort auf der Strasse sah: Sie trug eine Tasche mit der arabischen Aufschrift «Märtyrerin». Dann, im August 2014, reist Jennifer W. nach Syrien. Sie wollte im Kalifat des IS leben. Ein Leben, das – so sagte sie in einem Chat mit Gleichgesinnten – ihr viel einfacher erschien als in Deutschland.
Ein Leben, das für andere Frauen die Hölle war. Für die Tausenden Jesidinnen, die nach dem Sturm des IS auf das nordirakische Sindschar-Gebirge im August 2014 verschleppt, getötet und vergewaltigt wurden. Oder versklavt.
SDA/nlu
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