Lawinenunglück: Lehrer vor Gericht
Mitarbeiter und ein Lehrer einer Privatschule in Hasliberg müssen sich heute vor Gericht. Bei ihrem Angebot «Variantenskifahren» starb eine 15-jährige Schülerin in einer Lawine.
«Im Zusammenhang mit dem Lawinenunglück vom 14.März 2006 (ein Todesopfer) wird drei Angeschuldigten der Vorwurf der fahrlässigen Tötung gemacht.» Das steht auf der Liste des Gerichtskreises Interlaken zu der Verhandlung, die heute in Interlaken stattfindet.
Angeklagt sind ein Lehrer und zwei Mitarbeiter, die damals in der Privatschule Ecole d'Humanité angestellt waren. Der Unfall ereignete sich während eines Wintersportangebotes der Schule.
Am Unglückstag begab sich gemäss dem damaligen Polizeibericht eine siebenköpfige Gruppe von Variantenskifahrern im Gebiet Käserstatt-Winterhalde ins freie Gebiet abseits der Piste. Als drei von ihnen einen Hang befuhren, löste sich ein Schneebrett. Die Skifahrer wurden von den Schneemassen mitgerissen und verschüttet.
Eine Person konnte sofort gerettet werden. Unverzüglich wurde eine grosse Suchaktion eingeleitet. Die Retter konnten einen Mann und eine Jugendliche in kritischem Zustand nach drei Stunden bergen. Für die 15-jährige Schülerin aus dem Kanton Aargau, die aus einer Tiefe von 1,6 Metern geborgen wurde, kam die Hilfe zu spät: Sie starb am Nachmittag im Spital. Ihr Lehrer überlebte das Unglück und muss sich heute dafür vor Gericht verantworten.
Sorgfaltspflicht verletzt?
Das Untersuchungsgericht klärte ab, ob der Pädagoge seine Sorgfaltspflicht verletzt hat. Unter anderem wurden auch seine Fachkenntnisse des Wintersports überprüft. Ebenfalls abgeklärt wurde, ob die Sicherheitsvorschriften der Schule genügten. Die Behörde ging zudem der Frage nach, ob die Gruppe mit Lawinensuchgeräten oder Handys sowie Erste-Hilfe-Material ausgestattet war.
Acht Monate dauerten diese Ermittlungen. Dann hat das Gericht Anklage erhoben gegen den Lehrer sowie je ein Mitglied der Schulleitung und der Wintersportkommission der Ecole d'Humanité. Denn unter anderem steht fest, dass an diesem Tag im Skigebiet eine erhebliche Lawinengefahr herrschte (Stufe 3 von 5). Es waren entsprechende Warntafeln aufgestellt, und auch die Warnlichter blinkten. Gemäss dem Sicherheitskonzept der Privatschule dürfen die Pisten bei diesen Bedingungen nicht verlassen werden.
Freiheitsstrafe droht
Darüber, ob der Lehrer sowie die beiden Mitglieder der Schulleitung fahrlässig gehandelt haben, wird der Einzelrichter Roland Hostettler entscheiden. Er kann eine Freiheitsstrafe von maximal einem Jahr aussprechen.
Passiert auf einer Schulreise oder in einem Schullager ein Unglück, müssen die Behörden abklären, ob die Sorgfaltspflicht verletzt wurde. Im Berner Oberland steht mit dem «Hasliberger» nicht zum ersten Mal jemand wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht vor Gericht: Im März 2005 war ein Leiter einer Riverrafting-Tour angeklagt, weil dabei ein Lehrer ums Leben gekommen war. Es kam zu einem Freispruch. Im Januar 2004 wurden in Interlaken ein Schwimmlehrer, ein Badeaufseher und ein Pächter des Schwimmbads Wengen vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung freigesprochen. In diesem Bad war im 1999 ein neunjähriges Mädchen ertrunken.
Im Dezember 2001 wurden sechs Chefs von Adventure World wegen fahrlässiger Tötung an 21 Menschen zu bedingten Gefängnisstrafen und Bussen verurteilt. Zwei Guides erhielten einen Freispruch. Beim Fall handelte es sich um das Canyoning-Unglück im Saxetbach.
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