Unfalltod von Mohammed-KarikaturistLars Vilks war gefangen im eigenen Land
Der schwedische Künstler hatte den Propheten Mohammed als Hund gezeichnet. Seit der Karikatur lebte er mit Morddrohungen und unter Polizeischutz an einem geheimen Ort. Nun ist er bei einem Verkehrsunfall gestorben.

Der schwedische Künstler Lars Vilks hatte des Öfteren gescherzt, dass wohl noch an seinem Sterbebett Leibwächter ihm die Hand halten würden. Am Sonntagnachmittag, um 15.25 Uhr, starb der 75-Jährige auf dem Heimweg in einem Auto der Polizei, und mit ihm starben zwei für ihn abgestellte Personenschützer. Ein simpler Verkehrsunfall, teilte die Polizei am Montag mit, eine Kollision mit einem LKW nach einem möglicherweise geplatzten Reifen, es gebe keinerlei Hinweise auf äussere Einflüsse. Weltweit machte die Nachricht die Runde: Der Mann, der den Propheten Mohammed als Hund gezeichnet hatte, ist tot.
Man darf davon ausgehen, dass Lars Vilks eher nicht als Mohammed-Karikaturist in Erinnerung bleiben wollte für drei schnell hingeworfene Zeichnungen aus dem Jahr 2007. Das eigentliche Lebenswerk des Autodidakten, begonnen schon im Jahr 1980, waren zwei monumentale Skulpturen an einem Strand des Naturschutzgebietes Kullaberg in seiner südschwedischen Heimat Schonen. Nimis (lateinisch für: allzu viel) taufte er die eine, wild in die Höhe gezimmert aus Treibholz, Arx die andere, aus Fels und Stein aufeinandergetürmt – beide stehen an einem eher unzugänglichen Teil der Küste, sodass das Werk zwei Jahre lang unentdeckt blieb.
Der unabhängige Staat Ladonia
Als die Behörden schliesslich von den «illegalen Bauten» Wind bekamen, begann ein jahrzehntelanger Rechtsstreit, der die wunderlichsten Wendungen nahm: Um seinen Nimis-Turm zu retten, verkaufte Vilks ihn einmal dem deutschen Künstler Joseph Beuys, aus dessen Nachlass dann der Verpackungskünstler Christo ihn übernahm. Und 1996 rief Lars Vilks rund um Nimis den unabhängigen Staat Ladonia aus, liess eine Königin wählen und ernannte sich selbst zum Staatssekretär, als welcher er sodann daranging, übers Internet mehr als 20’000 Staatsbürger aus aller Herren Länder zu rekrutieren.
Freunde und Bekannte erinnerten sich in den schwedischen Medien am Montag an einen warmherzigen, humorvollen Mann, einer, der nicht ungern die Rolle des Aussenseiters annahm, der für sein Leben gern provozierte und der dafür schliesslich «in seinem eigenen Land in Gefangenschaft geriet», so die Zeitung «Dagens Nyheter». Die letzten Jahre seines Lebens musste er immer wieder die Wohnung wechseln, seit 2010 schon erhielt er rund um die Uhr Polizeischutz. Da war es gerade mal drei Jahre her, dass die Terrorgruppe al-Qaida einen Preis auf seinen Kopf ausgesetzt hatte: 100’000 Dollar für den, der Lars Vilks töten würde, 50’000 Dollar Bonus, wenn Vilks dabei «wie ein Lamm geschlachtet» würde. In Göteborg nahm die Polizei ein auf Vilks angesetztes Mordkommando fest, in Stockholm jagte sich 2010 ein Selbstmordattentäter in die Luft, der sich für seine Tat auf das «Schwein Vilks» bezog.
«Wenn Menschen sterben, dann wird es ernst.»
Und das alles, weil sich Lars Vilks 2007 entschlossen hatte, für eine lokale Ausstellung über den «Hund in der Kunst» den Propheten Mohammed mit Hundekörper zu zeichnen. Vielen Muslimen war das doppelte Blasphemie: Darstellungen des Propheten waren ihnen ohnehin tabu, und der Hund gilt im Islam als unreines Tier. Für Vilks war es nicht nur eine Geste der Provokation, sondern mehr noch eine der Solidarität mit den dänischen Kollegen, die Ende 2005 in der Zeitung «Jyllands-Posten» ihre Mohammed-Karikaturen veröffentlicht hatten und die daraufhin mit dem Tod bedroht wurden. Nun war er an der Reihe.
Im Februar 2015 organisierte Lars Vilks eine Veranstaltung über «Kunst, Blasphemie und Meinungsfreiheit» in einem Café in Kopenhagen. Ein islamistischer Attentäter eröffnete das Feuer im Café und tötete den anwesenden Filmemacher Finn Norgaard, bevor er zur Synagoge eilte und eine weitere Person tötete. Seine Personenschützer hatten Lars Vilks rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Danach, schreibt sein Biograf Niklas Orrenius, sei Vilks nur noch selten zu Scherzen aufgelegt gewesen. «Wenn Menschen sterben», zitiert er ihn, «dann wird es ernst.»
Starke Skepsis
Orrenius wirft in einem Nachruf in «Dagens Nyheter» seinen schwedischen Landsleuten mangelnde Solidarität Lars Vilks gegenüber vor. Vilks sei auf starke Skepsis gestossen, immer wieder habe er sich anhören müssen, die Hundezeichnungen seien «unnötig» gewesen: Ausstellungen und Podiumsdiskussionen wurden oftmals abgesagt. «Vilks wurde in der schwedischen Öffentlichkeit radioaktiv», schreibt Orrenius. «Viele waren feige und haben geschwiegen.»
Nach der Todesnachricht war der Schrecken gross. Es kondolierten am Montag der Ministerpräsident, diverse Minister und die Führer der grossen Parteien. Das konservative «Svenska Dagbladet» nannte ihn «den eigensinnigsten Künstler unserer Zeit». Die liberale «Dagens Nyheter» pries ihn als Kämpfer für die Meinungsfreiheit und sah in ihm gleich den «bedeutendsten schwedischen Künstler des 21. Jahrhunderts».
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