
Zum Entwurf für ein Kulturleitbild hat der Regierungsrat eine Vernehmlassung durchgeführt. In den 90er-Jahren begannen viele Firmen, Leitbilder zu verfassen, für Mitarbeitende und die Öffentlichkeit. Diese Art der Selbstdarstellung ist auch von Dienststellen des Kantons übernommen worden. Parlamente verlangen Strategien, Masterpläne, Konzepte und eben Leitbilder. So auch für die staatlich geförderte Kultur.
Es ist zwar nicht so, dass Museen, Theater oder Orchester ohne Kulturleitbild keine Ahnung hätten, was ihre Aufgabe ist. Gesetze, Verordnungen und das zuständige Departement, zusammen mit dem Parlament, legten schon immer Ziele und Rahmenbedingungen fest. Aber Zeitgeist und Grosser Rat verlangten ein Kulturleitbild. 2012 wurde es erstmals geschrieben, mit einer Gültigkeitsdauer von fünf Jahren. Weil der rechtzeitige Anschluss vom Präsidialdepartement verpasst wurde, hat man das Verfalldatum um zwei Jahre hinausgeschoben. Jetzt liegt der Entwurf für 2020 bis 2025 vor.
Dieser Entwurf des Präsidialdepartements ist ungenügend.
Die grundlegende Frage, ob sich Kultur überhaupt eignet, geleitet zu werden, wird nicht diskutiert. Man kann der Meinung sein, Kultur entwickle sich aus Ideen, spontanen, unkonventionellen und innovativen, aus der Kreativität der Kunstschaffenden. Ein starres staatliches Konzept, ein fixes Leitbild für fünf Jahre stehen dazu im Gegensatz. Schade, dass in der Politik diese Diskussion nicht stattgefunden hat. Konzept- und Leitbildgläubigkeit haben obsiegt. Dieser Entwurf des Präsidialdepartements ist ungenügend. Das Geld spielt selbstverständlich eine wichtige Rolle für das Angebot kultureller Leistungen. Ohne zusätzliche Finanzen keine neuen Angebote. Es sei denn, man nehme bisherigen Subventionsempfängern Geld weg. Aber eine solche, brutale Umverteilung findet praktisch nie statt, was nachvollziehbar ist. Es bräuchte also zusätzliche Mittel, wenn in einem Leitbild die Förderung neuer Kulturangebote angesagt wird. Bei dieser Diskussion um die Finanzierung von Kulturangeboten kommt man nicht darum herum, von unserem Partnerkanton eine angemessene Beteiligung an unseren kulturellen Zentrumsleistungen zu fordern. Mit vollmundig und fast schon euphorisch verkündeten Schein-Verhandlungserfolgen dürfen wir uns nicht abspeisen lassen, es braucht mehr!
Unser reiches Kulturangebot verdanken wir zum grossen Teil privaten Geldgebern und Kulturförderern. Vom Mäzenatentum der Familie Amerbach, die im 17. Jahrhundert ihre Kunstsammlung der Basler Bevölkerung schenkte, über das Museum für Gegenwartskunst, die Erweiterungen des Raumangebots des Kunstmuseums bis zum Schaulager und zur Fondation Beyeler; alles sind wesentliche Bereicherungen des Kulturlebens, ermöglicht von engagierten Basler Familien. Unsere Museen haben Sammlungen oder Geldbeträge von Privaten oder Firmen erhalten. Beispiele sind die Sammlung Im Obersteg im Kunstmuseum und die Sonderausstellungen Tutanchamun im Antikenmuseum.
Die adäquate Würdigung aber erfolgt leider nicht – auch nicht bei den Massnahmen.
Auch klassische Musik, Jazz und Rock oder günstiger Wohnraum für Musik-Studierende durften und dürfen auf private Förderung zählen. Das ist keine vollständige Aufzählung, sie zeigt aber, dass wir hier niemals diese Qualität und Breite des Kulturangebots hätten, wenn nicht Private zugunsten der Öffentlichkeit grosszügige Schenkungen gemacht hätten. Diese Grossherzigkeit sollte auch im Basler Kulturleitbild erwähnt und verdankt werden. Leider ist das nicht der Fall. Ignoranz der Verantwortlichen?
Der Entwurf übersieht die Bedeutung zweier wichtiger Sparten: Literatur und Chorwesen. Beide haben für Basel grosse Bedeutung. Zwar wird Literatur zusammen mit den Bibliotheken im Leitbild erwähnt. Die adäquate Würdigung aber erfolgt leider nicht – auch nicht bei den Massnahmen. Das Literaturhaus, die wertvolle Arbeit von Hans Georg Signer und Katrin Eckert, die Buch Basel und der Schweizer Buchpreis stehen für den Aufschwung der Sparte Literatur wie auch das Werk von Hansjörg Schneider, Alain Claude Sulzer, Martin R. Dean und anderen. Leider entspricht die Unterstützung in keiner Weise der Bedeutung der Literatur für unser Kulturleben.
In Basel gibt es zahlreiche hervorragende Chöre mit Hunderten Sängerinnen und Sängern.
Die Chormusik kommt im Leitbild nicht vor. In Basel gibt es zahlreiche hervorragende Chöre mit Hunderten Sängerinnen und Sängern. Meist wird auf ehrenamtlicher Basis gearbeitet. Die Basler Madrigalisten, erfolgreicher und einziger Chor mit Berufssängerinnen und -sängern, bisjetzt aus der Kulturvertragspauschale subventioniert, wissen heute nicht, wie es weitergeht. Auch wenn das Europäische Jugendchor-Festival zur Tradition geworden ist und unterstützt wird, besteht Nachholbedarf bei der Förderung der Chormusik.
Unseren Kulturreichtum verdanken wir weitblickenden Persönlichkeiten, die im Laufe der Geschichte innerhalb und ausserhalb staatlicher Institutionen wesentliche Beiträge geleistet haben. Es ist unabdingbar, dass sich die Verantwortlichen für den Erhalt und die Weiterentwicklung des Basler Kulturangebots dessen bewusst sind. Auch bezüglich dieses Bewusstseins besteht Nachholbedarf.
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Kulturleitbild – eine halbe Sache
Das Präsidialdepartement hat ein Konzept für die Jahre 2020 bis 2025 vorgelegt. Dem Basler Kulturreichtum wird es nicht gerecht.