Wer noch Beweise dafür sucht, wie sehr Kindheitserlebnisse prägen können, schaue sich die Porträts an, mit denen 1991 die Modedesignerin Jil Sander für ihre Marke warb: sie selbst an einem hellen, breiten Sandstrand. Wie sie dem Wind trotzt, indem sie sich das Revers ihres flatternden Mantels zuhält. Wie sie die Weite geniesst. Eine starke, freie, elegante Frau.
Oder die Gruppenporträts am Strand, 1988, mit drei der späteren Supermodels: Tatjana Patitz, Linda Evangelista, Christy Turlington. Ihre Beine sind nackt, oben flattern weite weisse Hemden. Sie lachen, ganz ungekünstelt, ja, wir haben wirklich Spass hier. Später dann: Julianne Moore am Strand. Oder Kate Winslet am Strand. All diese ikonischen Fotos schoss er.
Erst wollte er Schaufenster dekorieren
Geboren wurde er 1944 als Peter Brodbeck in Lissa im Wartheland im heutigen Polen. Um nicht von der Bundeswehr eingezogen zu werden, ging er mit 18 in die Schweiz und danach nach Westberlin. Seit 1971 fotografierte er dann – die künstlerische Bestimmung erst nach und nach findend, denn: Dort, wo er hergekommen war, war zwar nicht der Strand, aber eben die Kunst weit. «Ich wollte Schaufensterdekorateur bei Karstadt werden. Das war das Künstlerischste, was ich mir vorstellen konnte», erinnerte sich Lindbergh einmal an seine ersten Berufsvorstellungen.
Der Durchbruch gelang ihm dann in den Achtzigerjahren, unter anderem, weil die bis heute amtierende Anna Wintour 1988 ein Coverfoto bei ihm bestellte, als sie nämlich als neue Chefredakteurin der amerikanischen «Vogue» ihre erste Ausgabe verantwortete (das Foto ausnahmsweise: in Farbe). Sonst war Schwarzweiss bei ihm prägend. Nicht als Pseudo-Minimalismus oder Extra-Verkünstelung, sondern als Konzentration auf Ausdruck, Gesicht, Person.
Die Mode, die häufig ein Interesse daran hat, in ihrer prächtigen Farbigkeit dargestellt zu werden, musste bei ihm hinter die Personen zurücktreten. Wovon die Mode dann aber wiederum profitierte – etwa, als aus seinen Supermodels dann richtige Stars wurden und George Michael sich von Lindberghs Fotos zum Video zu seinem Hit «Freedom! ’90» inspirieren liess. Darin traten alle fünf «Supers» auf, auch Naomi Campbell und Cindy Crawford. Für 15’000 Dollar Tagesgage.