Dem US-Kino etwas Eigenes entgegensetzen
Denis Rabaglia, Regisseur der Liebeskomödie «Marcello, Marcello», über unterschiedliche Wahrnehmungen der Kritiker und die Kunst der ernsthaften Komödie.

Man spürt seine Betroffenheit. Während die Sätze auf Französisch, Englisch, manchmal auch Italienisch oder sogar Deutsch aus ihm heraussprudeln, scheint der Westschweizer Regisseur Denis Rabaglia immer nur eines sagen zu wollen: «Mein Film ist nicht nur Kitsch und Klamauk, sondern auch eine kritische Beschreibung der Zustände im Italien unserer Tage.» Das allerdings hätten fast nur die italienischen Filmkritiker erkannt, alle anderen – und allen voran die Deutschschweizer – hoben zuerst die Romanze und die zuckersüsse Bildsprache von «Marcello, Marcello» hervor.
Melancholie des italienischen Alltags
Diese einseitige Sicht auf seine Komödie stört den Regisseur: «Je nachdem, worauf die Kritiken ihren Schwerpunkt legen, darauf achten dann die Leute im Kino.» Im deutschen Sprachraum werde also – mit grossem Wohlwollen zwar – zuerst der Kitsch wahrgenommen, während man südlich der Alpen den Fokus auf die Allegorie auf das Land unter Berlusconi lege: «Marcello, Marcello» transportiere bei aller Komik auch die Melancholie und die Verlogenheit des italienischen Alltags, betont Rabaglia noch einmal: «Nach aussen hin sind alle freundlich und zufrieden, doch unter der lackierten Oberfläche fühlt man sich miserabel und als Gefangene eines Systems, in dem die Korruption alles beherrscht.» Als Deckmäntelchen dienten vielerorts auch überkommene «soziale Arrangements» wie jenes erfundene Ritual, von dem der Film erzählt.
Vordergründig ist «Marcello, Marcello» eine sehr liebenswürdige und tatsächlich kitschig überzeichnete Liebesgeschichte: Einem alten Brauch zufolge muss der kluge, aber natürlich arme Fischersohn Marcello, bevor er die schöne Tochter des Bürgermeisters ausführen darf, deren Vater mit einem Geschenk von seiner Aufrichtigkeit überzeugen. Um dieses Geschenk – einen eitlen Gockel – zu erhalten, begibt sich Marcello auf einen Parcours durch die Häuser und vor allem durch die Schicksale des ganzen Dorfes. Die märchenhafte Handlung basiert auf einem Roman des Engländers Mark David Hatwood, die Rabaglia ins Italien der 50erJahre transferiert hat.
«Ich brauche die Distanz, sowohl die zeitliche als auch die kulturelle», meint Rabaglia, der als Enkel italienischer Einwanderer in der Romandie aufgewachsen ist. Schliesslich sei er kein Dokumentarist, sondern ein Komödienspezialist, dem es in erster Linie darum gehe, Geschichten mit Herzlichkeit und Humor zu erzählen.
Bereits seine ersten Filme, «Grossesse nerveuse », um eine Scheinschwangerschaft, und «Pas de panique», die Geschichte eines von Ängsten geplagten Jungunternehmers, behandelten ernsthafte Themen mit viel Witz. Und auch «Azzurro», seine mit dem Schweizer Filmpreis ausgezeichnete Tragikomödie um einen ehemaligen Gastarbeiter, der hofft, in der Schweiz Heilung für seine blinde Enkelin zu finden, scheut trotz aller Melancholie das Lachen nicht. Umso ernster nimmt Rabaglia sein Metier: «Komödien sind eine anspruchsvolle Sache, weil sie direkt über das Gefühl funktionieren müssen. Wenn beim Publikum das Hirn einsetzt, wenn sich die Leute also überlegen müssen, wieso etwas komisch ist, dann lacht bestimmt keiner mehr.»
Mit Leichtfüssigkeit gegen Klischees
Rabaglia will die Menschen im Herzen treffen. Und der US-Unterhaltungsindustrie etwas Eigenes entgegensetzen. «Wollen Sie, dass Ihre Kinder Humor nur noch mit dem gleichsetzen, was in Amerika produziert wird?», fragt er entsetzt. Am Schlimmsten findet er das Argument «Ich schaue ja gern europäische Filme, aber heute bin ich zu müde, da gehe ich lieber in eine Hollywood-Komödie». Dem Vorurteil, dass das europäische Filmschaffen nur anstrengende Werke hervorbringe, will er mit seinen leichtfüssigen Komödien, die übrigens allesamt auch bei der Kritik gut ankamen, den Kampf ansagen. «Da ist es mir auch egal, wenn die Leute finden, ich sei intelligenter als meine Filme. Ich wäre ja schon zufrieden, wenn ich wenigstens so lustig wie meine Filme sein könnte.»
So gesehen entspricht Denis Rabaglia sehr genau der Vorstellung, die man sich von einem Clown macht: Trotz seinem herzlichen Humor ist er im Grunde ein sehr ernsthafter Mensch, der sich und sein Werk immer wieder hinterfragt. So geht er auch häufig ins Kino, wenn seine eigenen Filme laufen, um zu sehen, wie seine Komik bei den Zuschauern ankommt. «Mich fasziniert es zu sehen, wie man den Menschen eine Illusion als Wahrheit verkaufen kann.» Als Kind wollte er auch Zauberer werden. «Aber dafür war ich zu ungeschickt. » Heute gehört er zu den erfolgreichsten Filmemachern des Landes. Und auch wenn er nicht nur gefällig sein will: Dem Publikum gefällts.
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