Krawall auf Basels Reeperbahn
In den 50er-Jahren uferte ein Zwist in der Greifengasse zu einer Massenschlägerei aus. Bis heute ranken sich darum Legenden.

Damals, vor rund 30 Jahren, wurde immer wieder eine Geschichte erzählt, die Geschichte von der grossen Rheingasse-Schlägerei, irgendwann in den frühen 50er-Jahren. Ein Polizist stellte vor der Linde einen Betrunkenen zur Rede – oder war es vor der Brauerzunft?
Egal. Jedenfalls eilten andere Gassebuebe dem Betrunkenen zu Hilfe, es kam zum Handgemenge, der Polizist musste Verstärkung anfordern. Die Situation eskalierte: Immer mehr Gassebuebe prügelten sich wild mit immer mehr Polizisten. Seither, wurde damals erzählt, dürfe die Polizei nur noch in Viererpatrouillen im Kleinbasel für Ruhe sorgen.
Wie die Prügelei ausgegangen ist, wusste niemand. Keiner war ja dabei gewesen, alle kannten diese legendäre Rheingasse-Schlägerei nur vom Hörensagen. «Der Bruder eines Freundes meiner Schwester hat die Geschichte vom Schwager seiner…» Eine Urban Legend, würde man heute sagen, wie die berühmte Spinne in der Yucca-Palme. Oder wie der Italiener sagt: «Se non è vero, è molto ben trovato.»
Urplötzlich blitzte die Geschichte von der Rheingasse-Schlägerei wieder in mir auf
Ob wahr oder nicht wahr, solche Geschichten bleiben haften im Gedächtnis. Der Zufall wollte es nun, dass ich mich vor einigen Tagen mit meinem alten Copain Martin Schütz zum Mittagessen traf.
Warum auch immer, redeten wir auch über die Aufwertung der Rheingasse. Und da Martin als Mediensprecher bei der Basler Polizei arbeitet, blitzte in mir urplötzlich die Geschichte von der Rheingasse-Schlägerei wieder auf. Ich erzählte sie und fragte eher beiläufig, ob er vielleicht einen schon älteren Polizisten ausfindig machen könnte, der sich noch daran erinnert, und der mir sagen kann, ob sich dies alles so zugetragen hat, wie es mündlich überliefert ist.
Und tatsächlich, Martin wurde fündig. Er hat zwar keinen Augenzeugen auftreiben können, aber eine schriftliche Quelle: Robert Heuss, Basler Polizei 1816–2016; herausgegeben von der Kantonspolizei Basel-Stadt, Basel (Schwabe-Verlag). Bei Heuss ist allerdings nicht von einer Rheingasse-Schlägerei die Rede, sondern vom Greifengasse-Krawall in der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1954.
Schlägereien waren nicht selten
Heuss schreibt, dass das Gebiet rund um die Greifengasse damals Basels Reeperbahn genannt wurde, und Schlägereien seien eigentlich nichts Ungewöhnliches gewesen. Die Greifengasse war tatsächlich eine Beizenmeile der schummrigen Art: Schwalbennest, Gryffe, Leue, wo zum Tanz aufgespielt wurde, Barrikade, wo die harten Jungs sassen, und das Odeon, dort, wo bis vor ein paar Jahren Pfister seine Möbel verkauft hatte.
In jener Nacht begann es wie so oft in jenen Jahren mit einem Streit – im Odeon. Der Wirt rief die Polizei, die Polizisten wurden in der Beiz mit Schimpfwörtern begrüsst. Das Geschehen verlagerte sich nach draussen; und wie es auch die Rheingasse-Geschichte erzählt, eskalierte alles. Immer mehr Betrunkene, immer mehr Polizisten, Schlägereien zwischen den Radaubrüdern, wie Heuss schreibt, und den Polizisten. Es müssen sich zwischen 700 und 900 Personen der Polizei entgegengestellt haben. Regierungsrat Brechbühl wurde aus dem Bett geholt, und kurz vor drei Uhr morgens wurde die Greifengasse geräumt – mit Polizeiknüppeln.
Patrick Moser, Kurator Zeitgeschichte am Historischen Museum, hat einen Aufsatz über den Greifengasse-Krawall geschrieben und nach den Gründen gesucht. Davon und über die politische Verarbeitung mehr in der nächsten Kolumne am 18. Februar.
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