Kommt jetzt die grosse Kino-Leere?
James Bond verschoben, das Filmfestival Freiburg abgesagt – wie gehts jetzt in den Schweizer Kinos weiter? Und was macht Hollywood?

Es wäre alles bereit gewesen: Der letzte Auftritt von Daniel Craig als James Bond in «No Time to Die» hätte den Schweizer Kinos einen gewaltigen Frühlingsboost beschert. Davon durfte man jedenfalls ausgehen, da die letzten beiden Bond-Filme «Spectre» (2015) und «Skyfall» (2012) landesweit je über eine Million Besucher in die Säle lockten. An diese Zahlen kam in den letzten Jahren kein anderer Film auch nur annähernd heran.
Aufgrund der Corona-Krise fehlen diese Einnahmen jetzt. Zwar fallen sie nicht ganz ins Wasser – der Filmstart von «No Time to Die» ist ja «nur» auf den November 2020 verschoben –, aber den Kinobetreibern hilft das auch nicht über die klaffende Lücke hinweg. Philippe Täschler, Chef der Kinokette Kitag, weist zwar darauf hin, dass auch schon mal ein «Harry Potter»-Film vom Herbst in den kommenden Frühling verschoben worden sei. Er sagt aber auch: «Die Lage, wie sie sich jetzt präsentiert, ist komplett anders als die Verschiebungen, wie wir sie sonst im Tagesgeschäft erleben.»
«Mir ist keine vergleichbare Verschiebung eines Filmes bekannt, das gab es weder bei Sars noch bei der Schweinegrippe.»
René Gerber, Generalsekretär von Procinema, dem Schweizerischen Verband für Kino und Filmverleih, sieht das ähnlich: «Mir ist keine vergleichbare Verschiebung eines Filmes bekannt, das gab es weder bei Sars noch bei der Schweinegrippe.» Er hofft nun, dass andere Verleiher mit Filmen in die Bresche springen, damit die vielen Bond-Leinwände (der Film wäre schätzungsweise in 250 Sälen angelaufen) nicht einfach schwarz bleiben.
100'000 Franken Verlust in Freiburg
Schwarz bleiben die Leinwände definitiv beim Filmfestival Freiburg (20.–28. März), das gestern Abend seine Absage bekannt gab. An diesem Festival wurden letztes Jahr 42'000 Eintritte gezählt. Wie sieht das dann bei einem Anlass dieser Grössenordnung aus? Philippe Clivaz, operativer Leiter des Festivals, sagt: «Wir verlieren die Einnahmen aus dem Ticketverkauf. Dafür können andere Kosten eingespart werden, also Hotel- und Unterbringungskosten im Allgemeinen sowie die Kinomieten.» Damit könne man einen grossen Teil der durch die Annullierung verursachten Verluste ausgleichen. Von den öffentlichen und privaten Partnern habe bislang niemand die Unterstützung zurückgezogen. «Unter dem Strich wird dennoch ein geschätzter Verlust von 100'000 Franken bleiben.»
Gerechnet wird dieser Tage auch bei den regulären Kinos. Landesweit gilt derzeit die Regelung, dass Veranstaltungen mit über 1000 Personen verboten sind. Das würde Kinobetreiber nicht betreffen, da die Anzahl Sitze aus den Sälen nicht zusammengezählt werden. Auf kantonaler Ebene sieht es jedoch verwirrend aus: Aktuell dürften zum Beispiel in Lausanne 999 Personen in einen Kinosaal, in Basel sind maximal 200 zugelassen, im Aargau 150 und in Chur nur 50. Dass dieser Kantönligeist auf breites Unverständnis stösst, ist nachvollziehbar. Eine einheitliche Regelung bezüglich der Risikoabschätzung, die der Bund für Veranstaltungen mit weniger als 1000 Personen fordert, wäre ebenfalls dringend gewünscht. Philippe Täschler sagt: «Da warten wir ab, bis die einzelnen Kantone ihre effektiven Richtlinien publizieren.»
Wie geht er als Kinobetreiber mit den aktuellen Ertragsausfällen um? «Über die aktuelle Versicherungslage kann ich keine Aussagen machen.» Täschler gibt allerdings zu bedenken, dass Versicherungen gegen Pandemien in Zukunft für Firmen weltweit eine wichtige Rolle spielen dürften.
Was passiert mit «Mulan» und «Black Widow»?
Solche Gedanken macht man sich derzeit auch in Hollywood. Die grosse Frage lautet: Werden die führenden Studios dem Vorbild von James Bond folgen und den Start ihrer Grossproduktionen verschieben? Im Fokus steht zunächst Disney. Mit «Mulan» (vorgesehener Start: Ende März) und dem Avengers-Film «Black Widow» (Ende April) hat der Branchenprimus gleich zwei potenzielle Blockbuster auf der internationalen Startrampe.
Von grösserer Bedeutung ist dabei «Mulan». Die Realverfilmung des gleichnamigen Zeichentrickklassikers ist aufgrund seines Themas und der chinesischen Hauptdarstellerin Liu Yifei speziell auf den asiatischen Markt zugeschnitten. Gemäss Branchenblatt «The Hollywood Reporter» hat ein Disney-Sprecher inzwischen bestätigt, dass das Startdatum von «Mulan» in den USA unverändert bleibe. Gleichzeitig sagte dieser Sprecher aber auch, dass «Mulan» in gewissen Ländern später in die Kinos kommen werde. Das dürfte dann am ehesten China, Japan und Südkorea, aber auch Italien und den Iran betreffen.
Man kann sich gut vorstellen, dass nun auch in anderen Hollywood-Chefetagen die Zahlen der Kinomärkte mit jenen der Coronavirus-Fälle abgeglichen werden. Und dass dann die internationalen Release-Pläne in nächster Zeit noch massiv durchgeschüttelt werden. Ob und wie das auch die Schweiz betrifft, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschätzen. Man kann bloss festhalten: Im Gegensatz zu anderen Kulturlokalen haben hierzulande alle Kinos noch geöffnet.
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