
3,5 Tonnen CO₂ pro Kopf werden heute auf dem Kantonsgebiet in Basel-Stadt ausgestossen – zu viel, um die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen. Die gute Nachricht: Das sind gemäss Energiestatistik 23 Prozent weniger als noch vor zehn Jahren. Die schlechte Nachricht: Zählt man die graue Energie der importierten Konsumgüter wie Nahrung, Kleidung oder Elektronik dazu, dann sind es sechs Tonnen mehr pro Person.
Der Handlungsbedarf für den Klimaschutz ist gross. Deshalb verlangt die Klimagerechtigkeits-Initiative, dass auf unserem Kantonsgebiet der Ausstoss von Treibhaus-Emissionen bis 2030 auf netto null sinken muss. Selbst handeln kann ein Kanton vor allem in den Bereichen Gebäude, Verkehr und bei den Betrieben, bei denen er Mehrheitseigner ist.
Basel-Stadt hat dank dem erfolgreichen Kampf seiner «Boomer»-Generation gegen das AKW Kaiseraugst eines der besten Energiegesetze der Schweiz. Bereits in den 1980er-Jahren wurde eine Lenkungsabgabe auf Strom eingeführt. Das hat die Energieeffizienzmassnahmen forciert.
Weitere Schritte auf dem Weg zur 2000-Watt-Gesellschaft folgten. Mit der Reform des Energiegesetzes von 2017 wurden Nägel mit Köpfen gemacht. Zum Beispiel die Pflicht, beim Heizungsersatz auf ein System mit erneuerbarer Energie zu setzen. Oder die Auflage für Grosskunden, die auf dem internationalen Markt ihre Energie einkaufen, nur erneuerbare Energie zu berücksichtigen. Und die Pflicht, bei Neubauten den Energiebedarf erneuerbar zu erbringen.
«Ein Netto-null-Ziel per 2030 anzustreben und es nicht erreichen zu können, produziert nur Frust.»
Bereits geplant ist der Ersatz aller ÖV-Busse auf Elektroantrieb auf das Jahr 2027. Und die IWB sind daran, die Fernwärme, die heute zu 80 Prozent auf erneuerbaren Energien beruht, vollständig erneuerbar auszurichten und massiv auszubauen. Ab 2024 startet der Pilotversuch mit Mobility-Pricing, und die kantonale Motorfahrzeugsteuer soll auf ein Bonus-Malus–System umgebaut werden.
Wird mit all diesen Massnahmen das Netto-null-Ziel bis 2030 erreicht? Leider nein, wie eine Infras-Studie für den Kanton aufgezeigt hat. Zwar ist bis dann viel erreicht. Doch die völlige Umrüstung aller Haushalte auf erneuerbare Energie wird bis dahin nicht möglich sein. Dazu müssten die 60 Prozent der Haushalte, welche noch mit Öl und Gas funktionieren, in wenigen Jahren umgerüstet werden.
Schon heute fehlen genügend Handwerkerinnen und Handwerker. Auch wenn sich alle «Fridays for Future»- Jugendliche zu Ingenieurinnen, Heizungs-, Lüftungs- und Elektromonteuren sowie Solarspezialistinnen ausbilden liessen, würde es nicht reichen, alle erforderlichen Umbauarbeiten in so kurzer Zeit zu realisieren.
Deshalb überzeugt der Vorschlag der Basler Regierung, der das Netto-null-Ziel auf das Jahr 2040 setzt. Auch dies ist ambitioniert. Doch die Vorlage zeigt Wege auf, indem die notwendigen Massnahmen klug aufeinander abgestimmt werden.
Auch diese Strategie steht und fällt mit dem Tempo ihrer Umsetzung. Dazu müssten sowohl das Bewilligungswesen wie die vielen Einsprachemöglichkeiten gestrafft werden. Bis alle Gesetze demokratisch beschlossen sind, wird es lange dauern. In der Schweiz benötigt die Errichtung einer Windanlage oft 20 Jahre, in Basel die Entwicklung klimaneutraler Quartiere etwa zehn Jahre und die Umrüstung eines Hauses auf Fotovoltaik bis zu drei Jahre. So kommen wir auch bis 2040 nicht ans Ziel.
Der Umbau zur klimaneutralen Stadt ist eine gewaltige Aufgabe. Sie gelingt nur, wenn alle an einem Strick ziehen: die Verwaltung, indem sie das Bewilligungsgestrüpp ausmistet; die Firmen, indem sie ihre Prozesse möglichst auf Kreislaufsysteme umstellen; die Jugendlichen, indem sie die entsprechenden Berufe erlernen; die Banken, indem sie aus fossilen Anlagen aussteigen – und vieles, vieles mehr. Dazu braucht es aber auch – nebst Vorschriften – eine positive Grundstimmung, um chronischen Bedenkenträgern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Ein Netto-null-Ziel per 2030 anzustreben und es nicht erreichen zu können, produziert nur Frust statt eine gemeinsame Aufbruchstimmung. Schneller ist nicht immer besser.
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Kolumne von Anita Fetz – Klimaschutz: Schneller ist nicht immer besser
Warum das Netto-null-Ziel 2030 eine Illusion und der Umbau zur klimaneutralen Stadt eine gewaltige Aufgabe ist.