Kinderpsychiater im Interview«Kinder leiden in ihrer Entwicklung und ihrem Lebensalltag am meisten»
Auch Kinder und Jugendliche seien von Long Covid betroffen, sagt Alain Di Gallo, Mitglied der Covid-Taskforce. Man müsse das sehr ernst nehmen.

Herr Di Gallo, Sie sind Kinderpsychiater und Klinikdirektor der Universitären Kliniken Basel. Können Sie sagen, wie häufig Long Covid bei Kindern auftritt?
Diese Frage lässt sich aufgrund der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht abschliessend beurteilen – ebenso wenig wie die Frage, welche langfristigen gesundheitlichen Folgen Infektionen mit dem Coronavirus für Kinder haben. Klar ist, dass auch Kinder und Jugendliche von Long Covid betroffen sind. Beschrieben werden körperliche und psychische Probleme, etwa Konzentrations- oder Gedächtnisstörungen, Erschöpfung, Schlafstörungen, Ängstlichkeit, Depressionen, Atemnot sowie Kopf- und Bauchschmerzen. Das Problem ist: Es sind sehr unspezifische Symptome.
«Es ist manchmal kaum möglich, und aus meiner Sicht auch nicht hilfreich, körperliche und psychische Ursachen zu trennen oder gar gegeneinander auszuspielen.»
Wie nehmen Sie die momentane Situation der Kinder als Psychiater wahr?
Seit Corona suchen deutlich mehr Kinder und Jugendliche unsere Hilfe. Sie leiden in ihrer Entwicklung und ihrem Lebensalltag am meisten unter den Folgen der Pandemie. Sie müssen sich vorstellen: Für Kinder sind eineinhalb Jahre relativ gesehen eine viel längere Zeit. Sie sind in einer sensibleren Entwicklungsphase als Erwachsene. Viele junge Menschen haben Angst vor Einsamkeit und davor, Freundschaften zu verlieren. Sie reagieren schneller auf Verunsicherungen in ihrem Umfeld. Anhaltende psychische und körperliche Symptome können also auch Ausdruck all dieser Einflüsse sein. Es ist manchmal kaum möglich, und aus meiner Sicht auch nicht hilfreich, körperliche und psychische Ursachen zu trennen oder gar gegeneinander auszuspielen.
Anielle Peterhans ist seit 2021 Volontärin beim «Tages-Anzeiger». Sie hat Politikwissenschaften und Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich studiert.
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