Waffentests in NordkoreaKim kennt nur die Sprache der Raketen
Kim Jong-uns Regime blickt auf einen Monat voller Waffentests zurück und muss erkennen: Es hat damit vor allem seinen Feinden Argumente geliefert.

Am Freitag kamen aus Seoul gute Neuigkeiten für Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un. Die Nachrichtenagentur Yonhap meldete, dass Südkoreas Staatsanwaltschaft Anklage erhoben habe gegen Park Sang-hak, den Chef der Aktivisten-Gruppe «Fighters for a Free North Korea». Der Grund: Park soll zehn Heliumballons mit systemkritischen Texten und Dollarnoten vom Süden aus gen Norden geschickt haben. Kim verbittet sich solche Unterwanderungen seiner Propaganda. Im Abkommen, das er 2018 mit Südkoreas Präsident Moon Jae-in aushandelte, hat er sich ein Verbot der Ballon-Aktionen zusichern lassen. Im März 2021 trat die dazugehörige Reform in Kraft. Und nun droht dem Nordkorea-Kritiker Park also eine Haftstrafe oder zumindest eine hohe Geldstrafe.
Ein solcher Prozess gegen die Meinungsfreiheit passt schlecht zur demokratischen Regierung des früheren Freiheitskämpfers Moon. Aber vielleicht kann Moon damit wenigstens das Kim-Regime beruhigen. Nötig wäre es, denn die vergangenen Wochen waren nicht gut für den Friedensprozess in Korea.
Sechs Raketentests hat Nordkorea im neuen Jahr schon absolviert, zwei allein in dieser Woche. Nordkorea inszeniert sich als schwer bewaffnete Regionalmacht, während in Südkorea ein Regimegegner angeklagt ist. Es sieht so aus, als diktiere Kim Jong-un gerade die Regeln im koreanischen Verhältnis.
Die Bevölkerung hungert
Vor dem Plenum der Arbeiterpartei hielt Kim Jong-un Ende Dezember eine Rede, in der er auffällig viel über Landwirtschaft sprach. Das passte ins Bild. Nach zwei Jahren fast totaler Abschottung wegen des Coronavirus sind Lebensmittel knapp in Nordkorea. Über die Rüstungsindustrie musste Kim dagegen wenig sagen. Die läuft. Nach diesem Januar hat man den Eindruck: Kims Regime fällt es leichter, Atomwaffen zu entwickeln, als genügend Getreide für seine Menschen anzubauen.
Kim Jong-un braucht die Waffentests zur Abschreckung. Die Abschreckung braucht er, um seine Macht zu schützen. Und seine Macht zu schützen, ist sein wichtigstes Ziel. Moon Jae-in arbeitete während seiner im Mai endenden Amtszeit für einen Friedensvertrag, der den Korea-Krieg knapp 70 Jahre nach seinem Ende auch offiziell beenden würde. Die Annäherungsversuche schienen zu funktionieren. Aber natürlich konnte Moon mit Kim keine Wirtschaftsvereinbarungen treffen, die gegen die Sanktionen der Vereinten Nationen verstossen. Damit war die Aussöhnung für Kim wertlos. Und jetzt scheint Kim einen Friedensvertrag eher als Gefahr für seine Dynastie zu sehen.
Japan und Südkorea erwägen Präventivschläge
Wenn Kim mit seinen Januar-Tests die alten Feindschaften pflegen wollte, ist ihm das jedenfalls gelungen. Moon steht da wie ein Friedensfürst im Kugelhagel. Auch Moons Parteifreund und potenzieller Nachfolger Lee Jae-myung sieht seinen Kurs in Gefahr. Auch er will Annäherung. «Mit Nachdruck» hat Lee die Raketentests verurteilt. Er nennt sie «einen Akt, der die Öffentlichkeit spaltet». Die Testserie liefert den Anhängern des konservativen Präsidentschaftskandidaten Yoon Suk-joel Argumente. Nach dem zweiten Januar-Test plädierte dieser für die Möglichkeit eines südkoreanischen Präventivschlags. Japans Premierminister Fumio Kishida hegt ähnliche Pläne. In einer Rede sagte er kürzlich, Japan plane eine neue Verteidigungspolitik und schliesse «die sogenannte Fähigkeit zum Angriff auf feindliche Stützpunkte» nicht aus.
Und was sagt Nordkorea? Kim Jong-un hat zuletzt Japans Verteidigungserwägungen kritisiert. Und am Freitag beteuerte Nordkoreas UNO-Botschafter Han Tae-song: Die Testserie bedeute «keine Gefahr für die Sicherheit der benachbarten Länder». Ein bisschen dämmert dem Regime wohl schon, dass es mit seiner jüngsten Waffenschau zu weit gegangen sein könnte.
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