«Kevin, jetzt musst du einfach einmal herunterfahren»
Der neue Kloten-Trainer Kevin Schläpfer bekam seine Grenzen vom eigenen Körper aufgezeigt. Nun sieht er sich vor einer Mammutaufgabe.

Vor einem Jahr litten Sie an einer schweren Entzündung im Knie, waren neun Monate auf Rollstuhl und Krücken angewiesen. Was sind Ihre stärksten Erinnerungen an jene Zeit?
Dass man permanent Schuldgefühle hat, weil man bei jeder Kleinigkeit um Hilfe bitten muss. Zu Hause die Frau, ob sie einem dies oder jenes reichen kann. Und bei der Arbeit alle möglichen Leute. Die Trainings in Biel konnte ich nur von der Bank aus begleiten. Es wird schwierig, Stärke zu zeigen, wenn man handicappiert ist. Ständig hinterfragt man das eigene Handeln: Denken die Spieler und das Publikum jetzt, ich hätte aufgegeben, weil ich mich wegen der Schmerzen auf die Bank setzen muss?
Hat diese Erfahrung Ihr Verhältnis zum eigenen Körper verändert?
Ja. Als ich im Frühling die Stöcke abgeben konnte, merkte ich erst, wie leer ich war. Als Mensch meint man immer, man habe genug Energie, die Batterien würden nie leer werden. Erst heute, wo ich wieder fit bin, ist mir bewusst, wie schlecht ich damals beieinander war.
Dann hatte die Krankheit auch ihr Gutes?
Im Nachhinein habe ich das Gefühl, dass diese Pause irgendwie kommen musste. Dass ich sie brauchte. Vielleicht war es der Körper, der mir sagte: Kevin, jetzt musst du einfach einmal herunterfahren. Ich war dreissig Jahre im Hockey, ohne Pause. Es war wohl ein Zeichen, einfach einmal herumzuliegen.
Hat es gewirkt? Sie sehen erholt aus.
Ja. Jetzt fragen mich alle, ob ich im Solarium gewesen sei. Dabei war ich im Sommer einfach wieder einmal an der Sonne, habe Ferien gemacht. Das hast du als Spieler und Trainer nie. Wenn alle baden gehen, bist du voll in der Saisonvorbereitung. Dabei tut der Abstand enorm gut. Ich muss sicher schauen, dass ich in Zukunft mehr Auszeiten nehme.
Hatten Sie je Zweifel, wieder einen Job in der National League zu erhalten?
Eigentlich nicht. Ich hatte von anderen Clubmanagern immer gutes Echo – dass sie fanden, ich hätte einen guten Job gemacht, Biel hätte gutes Hockey gespielt. Und ich kann mich ja auch nicht beklagen, hatte einmal ein Angebot von der Nationalmannschaft, einmal eines vom SC Bern.
Dennoch gelten Sie als Underdog-Trainer. Stört Sie das?
Ich glaube nicht, dass man mich innerhalb der Szene immer noch als Underdog-Trainer sieht. Immerhin bin ich drei Jahrzehnte im Business, bin schon als Spieler immer aufgestiegen. Als ich in Biel anfing, waren wir NLB-Mittelmass – und wenn ich heute dorthin schaue, muss ich sagen: Das ist ein Top-NLA-Club. Dazu habe ich sicher meinen Teil beigetragen, und das haben auch viele wahrgenommen.
Ihr erstes Spiel mit Kloten in Biel findet am 24. November statt – Ihrem Geburtstag. Ist das mehr als Zufall?
Es kann nur Zufall sein, wer soll denn das sonst organisiert haben? Nein, das ist wieder so eine typische Schläpfer-Geschichte: schön, komisch und für mich sehr speziell.
Speziell war auch die Geschichte, als Sie 2015 Nationaltrainer hätten werden können und Biel Sie nicht freigab. Hat Ihnen diese Episode geschadet?
Das kann ich nicht sagen. Für mich ist es wichtig, dass ich mit gutem Gewissen aus dieser Situation ging. Ich habe mich stets so verhalten, dass es für mich ethisch stimmte. Man kann zwar nicht leugnen, dass ab diesem Punkt bei Biel der Wurm drin war. Aber irgendjemandem die Schuld dafür geben, will ich nicht.
Ist es Ihnen peinlich, dass man Sie damals bei der Medienkonferenz den Tränen nahe auf Video sah?
So sieht man sich sicher nicht gern. Aber es wird auch gerne übertrieben: Ich habe ja nicht geweint, ich war einfach angeschlagen. Mich hat es übermannt, weil ich mich eigentlich bedanken wollte: bei der Nationalmannschaft und bei Biel. Man muss sich das einmal vorstellen: Die einen wollen dich unbedingt, die anderen lassen dich nicht gehen. Was gibt es für ein grösseres . . . die ganze Situation war einfach überwältigend.
Ihr Verhältnis zum Nationalteam zeigt sich auch daran, dass Sie nun in Kloten eine entsprechende Ausstiegsklausel haben . . .
Ja, doch das war gar kein Diskussionspunkt. Für mich ist nicht nachvollziehbar, dass dieser Job für einen Schweizer nicht das Grösste ist. Das ist doch die grösste Ehre, wenn du das Schweizerkreuz auf der Brust tragen kannst.
Wie haben Sie Kloten-Präsident Hans-Ulrich Lehmann denn so in den Verhandlungen erlebt?
Sehr positiv. Er ist auch einer, der Energie hat und viel redet. Aber solche Leute sind mir lieber als solche, die wenig sagen und dafür hintenrum reden. Ich ziehe die offene Konfrontation vor und kann mir vorstellen, dass auch Herr Lehmann und ich einmal einen lauten Austausch haben.
Trotzdem nahmen Sie sich für die Zusage ein paar Tage Zeit. Warum?
Wir wissen alle, dass die Situation in Kloten eine Mammutaufgabe ist. Zugleich musste ich sagen: Wenn Ja, dann schnell. Wenn wir noch eine Hoffnung haben wollen, müssen wir jetzt anfangen. Doch dass ich Kloten zappeln liess, hatte keine finanziellen Gründe. Es ging mehr darum, welche Richtung der Club künftig einschlägt. Und da hatten wir gute Gespräche.
Die Ankündigung des Präsidenten, bald ohne Ausländer zu spielen, gilt also nicht mehr?
Herr Lehmann hat sicher auch etwas gelernt. Er kam ja neu ins Hockeygeschäft, und jeder, der noch nie einen Fehler gemacht hat, soll den ersten Stein werfen. Klar müssen wir einen finanziell vernünftigen Weg gehen. Aber dann muss man halt vier Ausländer nehmen, die unserem Budget entsprechen. Dass einer teuer ist, heisst ja nicht, dass er besser ist.
Gab es für Sie eigentlich Alternativen zum Angebot aus Kloten?
Darauf gebe ich keine Antwort.
Anders gefragt: Hatten Sie konkrete Offerten von anderen Clubs aus der National League?
Es gab lose Gespräche. Einen richtigen Vertrag hatte ich nicht vorliegen.
Also gab es andere Interessenten?
Das ist ein heikles Thema. Es gab ein, zwei andere, sagen wir es so. Aber es war nie so konkret wie mit Kloten.
Die Öffentlichkeit hat ein klares Bild von Ihnen: Mehr Motivator als Taktiker. Erkennen Sie sich darin wieder?
Das kann ich nicht sagen. Wenn ein Trainer wild herumfuchtelt, heisst es, er sei ein Motivator. Und wenn einer nur mit verschränkten Armen dasteht, heisst es, er sei ein Taktiker. Dabei stimmt das schon mal gar nicht: Taktisch muss jeder etwas draufhaben, sonst merken es die Spieler sofort. Aber dass ich emotional bin, sage, was ich denke, und dass mir manchmal etwas herausrutscht, was ich vielleicht nicht sagen sollte: Ja, dieses Bild stimmt, so ein Typ bin ich.
Dann war der Schläpfer der Bieler Medienkonferenz kein einmaliger Auftritt?
Dass ich Schwächen habe, gehört dazu. Ich bin eigentlich recht sensibel, und seit ich Kinder habe, auch nah am Wasser gebaut. Ich habe einen ziemlich weichen Kern und bin sehr harmoniebedürftig. Aber wenn mir etwas nicht passt, dann komme ich halt und sage es. Das ist etwas, was wohl auch Herr Lehmann an mir schätzt. Wenn mir etwas nicht passt, sage ich: Hans-Ueli, das geht nicht.
Sind Sie manchmal zu gutgläubig? Vor einer Woche wurden Sie beim Cup-Match von Biel in Olten mit einem verunglimpfenden T-Shirt fotografiert.
Das ist ein perfektes Beispiel, wo ich besser aufpassen muss. Da war ein Riesenrummel, ein Fan zieht mir ein T-Shirt über – und ich glaube, ich hätte einfach Biel-Sachen an. Erst als sie mir danach den Zutritt zur VIP-Loge verwehrten, merkte ich, was auf dem T-Shirt stand. Aber das bin halt auch ich. Für mich ist es immer das grösste Kompliment, wenn ich im TV als Experte aufgetreten bin und meine alten Kollegen danach sagen: «Hey, Kevin, du bist im Fernsehen genau gleich, wie wenn wir hier zusammen reden.» Das mag nicht allen gefallen. Aber wenn du eine Person bist, die allen gefällt, stimmt ja auch etwas nicht.
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