Kein erhöhtes Krebsrisiko für «AKW-Kinder»
Es gibt keine Hinweise darauf, dass in der Nähe von AKW wohnende Kinder ein erhöhtes Krebsrisiko haben. Dies zeigt eine Studie der Universität Bern. Ganz Entwarnung geben können die Forscher aber nicht.
Ein Team des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin (ISPM) der Uni Bern verglich für die Studie das Krebsrisiko bei Kindern, die in der Nähe von AKWs geboren wurden, mit jenem von Kindern, die weiter entfernt auf die Welt kamen. Die Forscher präsentierten die Resultate am Dienstag den Medien in Bern.
Es gebe keine Hinweise darauf, dass Kinder in AKW-Nähe häufiger Krebs hätten als andere, sagte ISPM-Direktor Matthias Egger. Die beobachteten Risikounterschiede der einzelnen Gebiete seien so klein, dass sie am ehesten durch Zufall erklärt werden könnten. Allerdings ist die Zahl der Krebsfälle so klein, dass statistisch grosse Unsicherheiten bestehen.
Verschiedene Zonen
In die Studie aufgenommen wurden die Geburts- und Wohndaten von rund 1,3 Millionen Schweizer Kindern im Alter von 0 bis 15 Jahren. Zwischen 1985 und 2009 fanden die Forscher im Schweizer Kinderkrebsregister insgesamt 4090 Krebsfälle, bei denen der Wohnort bekannt war. In 2925 Fällen war zusätzlich der Geburtsort bekannt.
Im Fachmagazin «International Journal of Epidemiology» publizierten die Forscher ihre Resultate. Sie teilten dazu die Schweiz in vier Zonen ein: Ein Gebiet innerhalb von 5 Kilometern zum nächsten AKW, eine Zone von 5 bis 10 Kilometern, eine Zone von 10 bis 15 Kilometern und den Rest des Landes ausserhalb dieses Perimeters.
Das Resultat: Das Risiko auf irgendeine Krebsart war bei Kindern, die näher als 5 Kilometern bei einem AKW wohnten, um 3 Prozent höher als bei den weiter als 15 Kilometer entfernten. Für den Geburtsort lag das Risiko der AKW-nahen Kinder dagegen um 11 Prozent tiefer als für AKW-ferne. Beide Ergebnisse sind statistisch nicht aussagekräftig.
Empfindliche Kleinkinder
Speziell unter die Lupe nahmen die Forscher Leukämien bei Kindern unter 5 Jahren. Kleinkinder seien besonders strahlenempfindlich - auch während der Entwicklung im Mutterleib, sagte Studienleiterin Claudia Kuehni. Deshalb seien auch besonders die Auswertungen mit Berücksichtigung des Geburtsortes interessant.
Bei unter 5-Jährigen fanden sich auf diese Weise schweizweit 573 Leukämien. 522 Fälle traten bei Kindern auf, die mehr als 15 km von einem AKW auf die Welt kamen. Im Gebiet bis 5 km waren es 8 Fälle, 20 Prozent mehr als statistisch erwartet. Zwischen 5 und 10 km waren es dagegen 12 Fälle, 40 Prozent weniger als erwartet, und zwischen 10 und 15 km 31 Fälle - 10 Prozent mehr als erwartet.
Kein Beweis für Unbedenklichkeit
Weil es sich um wenige Krankheitsfälle handelt, sagen die Prozentzahlen wenig aus und sind statistisch nicht signifikant. «Wir denken, dass die Unterschiede mit dem Zufall vereinbar sind», sagte Egger. Er betonte aber, dass das kein Beweis dafür sei, dass AKW das Leukämierisiko nicht erhöhten.
Die Resultate passten zur allgemeinen Datenlage, sagte Kuehni. Diverse Studien im Ausland hätten ebenfalls keine Hinweise auf ein erhöhtes Krebsrisiko durch AKW entdeckt. Eine Ausnahme ist eine Studie in Deutschland, die bei Kleinkindern eine Verdoppelung des Leukämierisikos gefunden hatte. Diese Studie hatte auch den Anstoss gegeben für die Untersuchung in der Schweiz.
Bundesamt für Gesundheit «erleichtert»
Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist erleichtert darüber, dass die Berner Forscher keine Hinweise für ein erhöhtes Krebsrisiko in der Nähe von Atomkraftwerken gefunden haben. Es wird aber deswegen die Überwachung der Radioaktivität nicht lockern.
Die Radioaktivität werde weiterhin genau überwacht, sagte Werner Zeller, Leiter der Abteilung Strahlenschutz beim BAG, am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Gerade in der Umgebung der AKW wird die Radioaktivität regelmässig gemessen. Das BAG publiziert diese Daten.
Studie in Auftrag gegeben
Die Strahlenexposition von direkten Anwohnern durch Emissionen der AKW liegt gemäss diesen Messungen unter 0,01 Millisievert pro Jahr. Das entspreche weniger als 1:500 der jährlichen durchschnittlichen Strahlenbelastung pro Einwohner. Hauptquellen sind das Gas Radon, kosmische und terrestrische Strahlung sowie medizinische Untersuchungen und Behandlungen.
Zeller betonte auch, dass die Schweizer AKW-Betreiber keinerlei Einfluss auf die Studie gehabt hätten, obwohl sie 200'000 Franken an die Kosten beisteuerten. Das Geld sei auf ein Sperrkonto beim BAG einbezahlt worden. Das BAG und die Schweizer Krebsliga hätten die Studie bei der Universität Bern in Auftrag gegeben.
Den Entscheid des Bundesamts, überhaupt Geld von den Firmen - der Axpo und der BKW - entgegenzunehmen, verteidigte Zeller. «Die Alternative wäre gewesen, dass der Steuerzahler die ganze Studie bezahlt hätte», sagte er.
SDA/wid
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