Kaufen Sie weiterhin Billigkleider!
Ein Boykott der Kleiderindustrie von Bangladesh schadet den Frauen. Die auf Dumpingpreisen basierende Textilindustrie hat das Leben Hunderttausender aufgewertet.

Beim Fabrikeinsturz in Bangladesh sind Ende April mindestens 550 Näherinnen und Näher gestorben. Das hat die Debatte über moralisches Einkaufen auch hier neu belebt. Darf man die zehnfränkigen T-Shirts aus dem südasiatischen Land noch kaufen? Ja! Die Kleiderindustrie Bangladeshs ist zwar alles andere als ein Arbeiterparadies. Eingesperrt in baufälligen Gebäuden, schuften drei Millionen Menschen sechs Tage die Woche für einen Monatslohn von 35 Franken.
Jedes Jahr sterben Menschen, weil Gebäude einstürzen oder abbrennen. Ein Boykott der Industrie würde jedoch diejenigen treffen, die bereits am meisten leiden: die Frauen. Die auf Dumpingpreisen basierende Textilindustrie hat nämlich eine soziale Revolution ausgelöst und das Leben Hunderttausender Frauen aufgewertet: Rund 80 Prozent der Angestellten sind heute weiblich. Als in den 80er-Jahren die Textilbranche entstand, habe er auf den Strassen plötzlich Frauen gesehen, die in die Textilfabriken geströmt seien, sagt Julfikar Manik, Journalist aus Bangladesh. Der Lohn machte die Frauen von den patriarchalischen Familienstrukturen unabhängiger. Familien kamen davon ab, ihre Töchter mit 13 Jahren zu verheiraten, weil sie vom Einkommen der jungen Frauen profitieren konnten.
Sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist keine Lösung.
Diese wurden selbstbewusster und begannen, für sich eine Ausbildung zu fordern. Wie zum Beispiel Fatima Begum. Die 24-Jährige lebt im grössten Slum Dhakas und kann lesen und schreiben. Dank ihrer Arbeit als Näherin konnte sie ihrer Familie die Erlaubnis abringen, den Mann ihrer Wahl zu heiraten. Nach der Arbeit in einer Kleiderfabrik demonstriert sie gegen korrupte Behörden und sorglose internationale Modeketten für sichere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn. «Wenn ihr etwas für uns tun wollt», schreibt sie auf Facebook, «dann kauft unsere Kleider und interessiert euch für unsere Arbeitsbedingungen.» Denn nur solange die internationalen Firmen in Bangladesh bestellten, gebe es Hoffnung auf Besserung.
Daran sollten Firmen wie die Walt Disney Company, die künftig keine Merchandise-Artikel mehr aus Bangladesh bezieht, denken. Sich aus der Verantwortung zu stehlen, ist keine Lösung.
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