Kantonsrat lehnt Hilfe für überlastete Sozialarbeiter abKantonsrat lehnt Hilfe für überlastete Sozialarbeiter ab
Regierungsrat will trotz leerer Staatskasse 35 neue Stellen in der Jugendhilfe schaffen – weil die Zahl der Kinder aus zerrütteten Familien steigt und steigt und die Vormundschaftsfälle immer komplexer werden. Der Regierungsrat will trotz leerer Staatskasse 35 neue Stellen in der Jugendhilfe schaffen – weil die Zahl der Kinder aus zerrütteten Familien ansteigt.
Von Daniel Schneebeli Zürich – Die 125 Sozialarbeiter, die gegenwärtig im Solde der kantonalen Kinder- und Jugendhilfe stehen, sind die Frontsoldaten im Kampf gegen die Vernachlässigung. Wenn Kinder zu Hause leiden müssen, gehen sie im Auftrag der Vormundschaftsbehörden hin, läuten an Haustüren, suchen das Gespräch mit Müttern und Vätern. Manchmal sind sie willkommen, oft auch nicht. 1000 Gefährdungsmeldungen gibt es pro Jahr von Lehrern, Hortleiterinnen, Nachbarn und Fussballtrainern. Wie André Woodtli, Chef des Amtes für Jugend- und Berufsberatung, sagt, treffen die Sozialarbeiter manchmal traurige Verhältnisse an. Es gebe Familien mit vier oder fünf Kindern, die kein einziges Spielzeug besässen. Woodtli betont, dass die Sozialarbeiter der ambulanten Kinder- und Jugendhilfe einzig zum Schutze der Kinder arbeiten. Vor allem auch in den 8000 Familien, wo bereits die Vormundschaftsbehörde eingegriffen hat, wo die Sozialarbeiter als Beistände von 12 000 Kindern eingesetzt worden sind.Laut Woodtli ist die Situation nicht nur in vielen Familien prekär, sondern auch unter den Mitarbeitern in der Kinder- und Jugendhilfe. Grund ist die steigende Zahl von Fällen – laut Woodtli kommen netto jedes Jahr 200 bis 300 Beistandsfälle dazu. Die letzte Stellenaufstockung datiert aus dem Jahr 2007. Damals gelang es, die Fallzahl pro Sozialarbeiter bei 113 Fällen zu halten. Befriedigend ist dies nicht. Denn 100 Fälle pro Person gelten als oberste Grenze.Seit 2007 ist die Bevölkerung wegen der Zuwanderung und der steigenden Geburtenzahlen deutlich gewachsen. Die Sozialarbeiter und auch die Angestellten in den rückwärtigen Diensten sind laut Woodtli zunehmend überlastet, was sich unter anderem in einer hohen Fluktuationsrate zeige. Er bekommt immer wieder Reklamationen aus den örtlichen Vormundschaftsbehörden, dass deren Aufträge immer länger auf der Warteliste blieben. Besonders angespannt ist die Situation unter den Juristen. Woodtli stellt eine zunehmende Verrechtlichung der Fälle fest. Gerade bei Scheidungen geschehe es immer häufiger, dass beide Parteien einen Rechtsanwalt nähmen, um Unterhalt und Sorgerecht der Kinder zu regeln – auch Ausländer, die das hiesige Familien- und Scheidungsrecht nicht kennen. In solchen Fällen sei es meist nötig, dass die Kinder ebenfalls einen Rechtsbeistand erhalten. Komplizierter ist auch die Alimentenhilfe geworden. So müssen immer häufiger Gelder von Vätern im Ausland eingetrieben werden.Aus diesen Gründen haben die Jugendkommissionen in den Bezirken und Regionen 60 neue Stellen beantragt. Woodtli hat die Forderungen «auf ein Minimum von 35 zusätzlichen Stellen» heruntergeschraubt, und der Regierungsrat beantragte im Budget 2012 einen Zusatzbetrag von 1,5 Millionen Franken, um die Stellen zu finanzieren. Zuwanderung beschränken Doch heute Montag wird eine Mehrheit des Kantonsrats die 1,5 Millionen Franken voraussichtlich wieder aus dem Budget kippen. Dies unterstützt zum Beispiel die Klotener Schulpräsidentin Corinne Thomet (CVP). Sie ist nicht grundsätzlich gegen die 35 Stellen. Sie verweist aber auf das gesamte 130-Millionen-Franken-Budget des Amts für Jugend- und Berufsberatung: «In diesem Globalbudget muss irgendwo Luft drin sein», sagt Thomet. Woodtli könne die 1,5 Millionen Franken auch anderswo sparen, etwa bei Beiträgen für Fachstellen oder mit der geplanten Reorganisation der Jugendhilfe. Auch Claudio Zanetti (SVP) hat den Streichungsantrag unterschrieben. Er unterstreicht, dass die Sozialarbeiter wichtige Arbeit leisteten und diese auch gut machten. Sein Widerstand richte sich generell gegen die Zuwanderung: «Wir sollten die negativen Folgen der Personenfreizügigkeit nicht einfach mit Geld zudecken.» Karin Maeder (SP), die auch Präsidentin der Jugendkommissionspräsidenten ist, warnt vor der Kürzung: «Die Wartefristen im Kindesschutz werden sich verlängern», und auf Prävention und Beratung müsse man verzichten.
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