Kampf der Zensur im Internet
Jungpolitiker von Grün bis SVP lancieren ein Referendum gegen das neue Geldspielgesetz.

Wie der Staat die eigene Schweizer Glücks- und Geldspielbranche gesetzlich regelt, ist den Referendumsführern mehr oder minder egal; wer von den Erträgen profitieren soll, ebenfalls. Bei ihrer Präsentation gestern in der Bundesstadt betonten sie aber einen zentralen Punkt: Von links bis rechts sind sich die Referendumsführer einig, dass Netzsperren einem schädlichen und wirkungslosen Unding entsprechen, das es deshalb per Volksentscheid zu verhindern gilt.
Das kürzlich im Bundeshaus verabschiedete Geldspielgesetz ermöglicht es nämlich, ausländische Online-Geldspielangebote technisch zu blockieren. In einer gemeinsamen Medienkonferenz begründeten das «Komitee gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung», initiiert von Jungfreisinnigen, Junge Grünliberale und Junge SVP, ein parteiübergreifendes parlamentarisches Referendumskomitee sowie das Bündnis Junge Grünen Schweiz gestern Vormittag ihr gemeinsames Vorgehen. «Für uns alle geht es um viel mehr als nur um die Sperre von Online-Casinoanbietern. Es geht um die grundsätzliche Frage, ob wir den freien Zugang zum Internet zum Schutz einheimischer Anbieter aufs Spiel setzen wollen», sagte die Co-Präsidentin des «Komitees gegen Internet-Zensur und digitale Abschottung», Anaïs Grandjean von den Jungen Grünliberalen.
Konzessionen statt Verbote
Die Unterschriftensammlung gegen das neue Geldspielgesetz läuft seit gestern. Bis zum 18. Januar haben die Mitglieder der drei Komitees Zeit, die notwendigen 50 000 Unterschriften zusammenzubringen. Gelingt dies, kann die Schweizer Stimmbevölkerung voraussichtlich im Juni des nächsten Jahres über das Gesetz abschliessend entscheiden.
Matthias Müller, Vizepräsident der Jungfreisinnigen Schweiz, verglich den Parlamentsentscheid zum neuen Gesetz mit einer fragwürdigen Kindererziehung: «Wenn Sie uns Junge vor den Auswirkungen des Internets schützen wollen, haben Sie zwei Möglichkeiten», sagte er. «Entweder Sie stellen zu Hause das Internet ab und hoffen, dass Ihre Kinder in der Aussenwelt niemals in den Kontakt mit einem iPhone oder einem Schulkollegen kommen, der daheim von den Vorteilen des Internets Gebrauch macht. Oder Sie sprechen mit den Kindern über Chancen und Risiken des Internets und sorgen für einen verantwortungsvollen Umgang in einem vorgegebenen Rahmen.»
Das Parlament habe bei der Ausgestaltung des neuen Geldspielgesetzes eine ähnliche Ausgangslage gehabt. «Entweder man wählt den Weg der Internetzensur und digitalen Abschottung, verabschiedet sich vom digitalen Fortschritt und sperrt alle ausländischen Spielanbieter im Internet. Oder man konzessioniert all jene Online-Anbieter, welche den Spielerschutz nachweislich bereits in vielen anderen Ländern einhalten und ihrer steuerlichen Pflicht in der Schweiz nachkommen wollen.» Leider habe eine Parlamentsmehrheit den protektionistischen Weg eingeschlagen, so Müller.
In einer Zeit, in der massiv in die Bildung investiert werde, um bei der Digitalisierung vorne mit dabei zu sein, komme die digitale Abschottung einem Eigengoal gleich. Natürlich sei ihm bewusst, dass es beim vorliegenden Gesetz auch um die Monopolstellung der Lotterie gehe. «Das eine hat aber nichts mit dem anderen zu tun», findet der Jungfreisinnige. «Niemand von uns will das Monopol der Kantone in der Lotterie angreifen.» Jene Einnahmen würden dem Regierungsrat auch bei einem erfolgreichen Referendumskampf weiterhin zur Verfügung stehen.
Staatlich geförderte Unsicherheit
Auf einen technischen Punkt, der bisher wenig Beachtung fand, hat an der Veranstaltung gestern Jean-Marc Hensch hingewiesen, der Geschäftsführer des Wirtschaftsverbands für die digitale Schweiz (Swico). Netzsperren würden das Internet generell viel unsicherer machen als in Wirtschaftskreisen bisher vermutet, sagte er. Denn mit dem neuen Geldspielgesetz würden die Internetanbieter gezwungen, sich den gleichen Methoden zu bedienen, wie dies Cyberkriminelle tun, wenn diese Internetnutzer auf gefälschte Seiten locken. Schweizer Internet-Provider müssten demnach ebenfalls Datenpakete falsch adressieren. Hensch: «Damit werden jedoch die Technologien zur Erkennungen von kriminellen Fälschungen im Internet geschwächt, und damit wird auch der Kampf gegen Internetkriminalität gefährdet, den in der Schweiz insbesondere die Melde- und Analysestelle Informationssicherung Melani und die Stiftung Switch betreiben.» Gefälschte Datenpakete, mit denen der Zugang zu von der Schweiz verbotenen Glücksspielseiten verhindert werden sollen, würden weltweit koordinierte Bemühungen untergraben, das Internet sicherer zu machen.
Der erfrischende Auftritt der Jungparteien gestern, der von einer Videoaktion begleitetet war, erscheint durchaus geeignet, Altparteien zu fordern.
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