Journalisten sollen zertifiziert werden
Die Medienkommission schlägt ein Zertifikat für Journalisten und ein Label für journalistische Medien vor. Die Idee stösst auf Kritik.

In der Analyse sind sie sich einig. Doch über die Lösung gehen die Meinungen auseinander. Die Medien haben sich ins Internet verlagert, die klassische Werbung verschwindet, Journalismus lässt sich schlechter finanzieren. Ergo verschwindet auch er. Zumindest der klassische, der sich an herkömmlichen Qualitätsstandards orientiert.
Daneben blüht das Angebot an Lesestoffen, und auch die Zahl der Publizisten im weiteren Sinn nimmt zu. Doch wie soll das Publikum unterscheiden zwischen dem Journalismus, der für sich in Anspruch nimmt, unabhängig zu informieren, allein der Öffentlichkeit verpflichtet, und dem anderen – manche nennen ihn «Parajournalismus» –, den man auch als Werbung bezeichnen könnte?
«Verwässerung des Berufsbildes»
Die Eidgenössische Medienkommission (Emek), die unter der Leitung von Medienprofessor Otfried Jarren seit sechs Jahren den Bundesrat berät, hat dieser Tage Vorschläge gemacht, die zu reden geben. Unter dem Titel «Rückhalt für den Journalismus» schlägt die Emek etwa eine Zertifizierung von Journalisten vor, ebenso eine Art Label für journalistische Produkte. Auch ein neues Berufsregister erachtet die Kommission als sinnvoll.
Der schleichende Verlust des «Vermittlungsmonopols» führe auch zu einer Verwässerung des Berufsbildes, heisst es im 19-seitigen Papier der Emek. Das schwäche die Unterscheidbarkeit von journalistischen und parajournalistischen Angeboten. Zudem sollten laut Emek alle Akteure im Medienwesen eine Debatte forcieren. «Medienunternehmen und jede einzelne Journalistin, jeder einzelne Journalist haben es in der Hand, durch ihre Tätigkeit beispielhaft Leistung und Relevanz des Journalismus zu betonen.»
«Wer entscheidet über die Vergabe des Labels?»
Dies allerdings könnte heikel sein, denn Journalisten dürfen nicht interessengeleitet informieren, auch nicht in einer guten und schon gar nicht in eigener Sache. «Kampagnen können die journalistischen Verbände führen, nicht die Redaktionen», sagt Medienwissenschaftler Roger Blum. Überhaupt zweifelt er an der Umsetzbarkeit der Vorschläge.
Der Journalismus habe eine handwerkliche Seite, aber eben auch eine künstlerische, sagt Blum, der früher an der Universität Bern forschte. Die Berufsdefinition müsse deshalb frei bleiben oder zumindest so flexibel gehandhabt werden, dass Quereinsteiger weiterhin zugelassen sind. Ein Ausschluss wäre eine Verarmung, meint er. Zudem dürfte eine standardisierte Ausbildung, wenn überhaupt, nicht staatlich organisiert sein, da Journalismus per Definition staatskritisch sein muss.
Schwierig wäre das Labeling von Medien oder Medienhäusern, sagt Blum. «Wer entscheidet über die Vergabe des Labels? Und würde es wieder aberkannt, wenn eine Zeitung die Regeln ritzt oder dagegen verstösst, was auch renommierte Medien manchmal tun?» Bei einem Produkt im Supermarkt sei eine Kennzeichnung möglich, sagt Blum. «Aber Journalismus ist eben jeden Tag wieder anders.»
Medien sollen transparent arbeiten
Blum empfiehlt stattdessen, dass die Medien über ihre Funktionsweise berichten sollen. Gleich im Bericht selber oder in dafür vorgesehenen Gefässen. Sie sollen transparent machen, wie sie arbeiten. Dasselbe sagt Nick Lüthi, Chefredaktor der «Medienwoche». Redaktionen sollten in ihren Medien regelmässig darüber informieren, wie ihre Beiträge zustande kommen, warum sie welche redaktionellen Entscheide getroffen haben, ob Interessenvertreter involviert sind oder nicht.
«Bezahlte Inhalte müssen heute gekennzeichnet werden», sagt Lüthi. «Genauso sollte sich auch der unabhängige Journalismus als solcher kennzeichnen. Jeder Beitrag könnte beispielsweise einen kurzen Hinweis enthalten. Das würde den Journalismus stärken.» Jedes Medium solle das für sich machen, dafür brauche es keine allgemeingültigen Vorgaben.
«Unabhängiger Journalismus sollte sich als solcher kennzeichnen.»
Eine Kennzeichnung für Journalisten gebe es ja schon, sagt Lüthi, das Berufsregister (BR), mit dem sich einige Journalisten immer noch schmücken. Seiner Ansicht nach habe dieses aber eher eine Innenwirkung für die Branche, als dass es vom Publikum wahrgenommen werde.
In der Analyse sind sich die Experten einig. Auch Urs Saxer, Medienjurist und Anwalt, der die Vorschläge der Medienkommission für «gut gemeint» hält, aber kaum wirksam, teilt die Feststellungen zur Situation im Emek-Papier. Auch die interessengeleitete Kommunikation kann sich Attribute wie «unabhängig» geben, mit gutem Storytelling und hochwertiger Fotografie die Leserschaft ansprechen. Die Unterscheidbarkeit zwischen althergebrachtem Journalismus und allen übrigen Formen der Publizistik ist für die Leserschaft kaum mehr möglich.
Öffentliche Debatte und kritische Reflexion
Philipp Cueni, Medienjournalist und Gründer des «Edito», begrüsst die Vorschläge der Emek. Sie stärkten den Journalismus und seien deshalb der «absolut richtige Ansatz». Der Journalismus müsse gesellschaftlich gestärkt werden. Dafür brauche es eine öffentliche Debatte und eine kritische Reflexion.
Vorschläge wie Labels oder Zertifizierung des Berufs und einzelner Titel seien bedenkenswert, sagt Cueni. Es gehe darum, sich von «Parajournalismus» abzugrenzen. Dass sich die Branche und teilweise sogar die Berufsverbände dagegen wehren, verstehe er nicht. Das Argument, dass nicht der Staat diese Aufgabe übernehmen darf, sei ein Killer- und Scheinargument, weil es dafür den Staat gar nicht unbedingt brauche.
Er beobachte anhand erster Reaktionen einen gewissen «Strukturkonservatismus», sagt Philipp Cueni, den er als kontraproduktiv bewerte.
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