Joe war Joe
Beim Schlagabtausch im TV-Duell zwischen Joe Biden und Paul Ryan konnte der Obama-Vize punkten. Keinen Gefallen dürfte er sich jedoch mit seiner Mimik gemacht haben.
Bei der gestrigen Debatte der beiden US-Vizepräsidentschaftskandidaten in Kentucky stand Joe Biden seinen Mann – und machte der nach dem Obama-Debakel in Denver verängstigten demokratischen Basis damit neuen Mut.
«Joe muss einfach Joe sein», sagte Barack Obama vor der gestrigen Debatte seines Vizes mit dessen republikanischem Herausforderer Paul Ryan. Und ja, über anderthalb Stunden in Danville im Staat Kentucky war Joe Biden sich weitgehend selber: Der Obama-Vize, bekannt für sein gelegentlich problematisches Mundwerk, suchte die Offensive beim einzigen Schlagabtausch der beiden amerikanischen Vizepräsidentschaftskandidaten. Und er punktete.
Biden tat, was sein Boss vergangene Woche bei seiner ersten Debatte mit dem republikanischen Rivalen Mitt Romney zu oft vergass: Kampflustig diskutierte der grauhaarige Senior mit dem Kongressabgeordneten Ryan, einem jugendlichen Mann von 42 Jahren mit einem vollen dunklen Haarschopf, und bot dem Republikaner dabei mehr als einmal Paroli.
Arrogantes Lächeln
Ryan schlug sich insgesamt gut, der Kontrast zur Debatte in Denver aber hätte grösser kaum sein können: Wo Obama sich zurückhielt, kam Biden unverblümt zur Sache. Und wo Obama bröckelte, hielt sein Vize dagegen. Er drängte den Republikaner mehrmals in die Defensive, etwa bei Steuern und bei der Reform der Sozialwerke, er empfahl sich als der Mitfühlendere, und er spielte seine aussenpolitischen Erfahrungen aus.
Keinen Gefallen dürfte sich Biden indes mit seinem überlegenen, ja arroganten Lächeln getan haben, das er wiederholt und zu oft der Kamera zeigte, während Ryan sprach. Biden erweckte damit den Anschein, er halte den fast drei Jahrzehnte jüngeren Kongressabgeordneten für einen Bubi, dem man vor zig Millionen TV-Zuschauern eben Nachhilfeunterricht gewähren müsse. Heftig zog das Gespann durch die Innenpolitik, wo Biden die teils unausgegorenen Pläne Romneys und Ryans zu zerlegen versuchte und die amerikanischen Wähler vor den allzu vielen weissen Flecken im Programm des republikanischen Duos warnte.
Gegen die Vernebelungstaktik
Hatte Bidens Boss es vor Wochenfrist in Denver versäumt, vom Berg politischer Behaglichkeit zu steigen und sich in den Morast zu begeben, in dem alle Verkäufer politischer Standpunkte notgedrungen waten müssen, so waren seinem Vize solche Zimperlichkeiten fremd. Im Gegenteil: Rüde fiel Biden dem Jüngeren ins Wort, maliziös lächelnd quittierte er manchmal dessen Einlassungen.
Mag sein, dass Biden damit manche parteilose Wähler vor den Kopf gestossen hat, doch vermochte der Vize zumindest eine Sache zu leisten: Nach der Pleite in Denver, wo sich der professorale Präsident benahm, als sei es unter seiner Würde, auf einer Bühne im Beisein Mitt Romneys Rede und Antwort stehen zu müssen, gab der Vize der demokratischen Basis einen Grund zur Zuversicht. Er artikulierte demokratische Positionen, er ging gegen die Vernebelungstaktik des Gegners vor – und er punktete, was amerikanische Aussenpolitik gegenüber dem Iran, in Syrien und in Afghanistan anbelangt.
Nun liegt es an Obama
Dass Paul Ryan überwiegend neokonservative Positionen vertrat, die ihm die intellektuellen Vordenker des irakischen Debakels in der Regierung Bush vorgekaut hatten, dürfte die Debatte der beiden Vizes gleichwohl nicht entscheidend beeinflusst haben. Schon eher kann Biden nun sagen, er habe in den wichtigen Bereichen der Gesellschafts- und Sozialpolitik, vor allem in der Frage der Abtreibungsfreiheit, klare Kontraste zu Ryan gezogen.
Trotzdem dürfte sich der republikanische Kongressabgeordnete seiner Partei wie seinem Boss Mitt Romney mit einem eher ruhigen Auftritt empfohlen haben. Nun liegt es an Barack Obama, in der kommenden Woche bei der zweiten Präsidentschaftsdebatte an der Hofstra-Universität nahe New York ähnlich entschieden aufzutreten wie sein Vize gestern Abend in Kentucky.
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