Jetzt schlägt die Stunde der Schwarzen
Wen wählen die Afroamerikaner? Bestimmt nicht Donald Trump. Aber welchen Demokraten? Die heutige Vorwahl in South Carolina wird zum Testfall.

Sabrina Stallion ist Bankerin bei einem grossen Finanzinstitut. Und Sabrina Stallion ist schwarz. Das macht sie nicht unbedingt zur typischen Wählerin eines 78-jährigen weissen Sozialisten. Aber genau das hat Stallion vor: für Bernie Sanders einzulegen, an diesem Samstag, bei der Vorwahl der Demokraten in South Carolina. Sie steht in der Einfahrt ihres Hauses in einem Vorort von Charleston, als ihr ein Wahlhelfer des Präsidentschaftskandidaten einen Flyer in die Hand drückt. «Mich braucht ihr nicht mehr zu überzeugen», sagt sie, «meine Stimme hat er.»
Dass sich jemand wie Stallion für Sanders begeistert, verrät einiges über den laufenden Präsidentschaftswahlkampf der Demokraten. Vor vier Jahren siegte Hillary Clinton hier bei der Vorwahl mit riesigem Vorsprung auf Sanders, dank der Stimmen der Schwarzen. Die Afroamerikaner machen rund 60 Prozent der demokratischen Wähler im Bundesstaat aus, der zu den Südstaaten gehört. Wen die Schwarzen in South Carolina auf den Wahlzettel schreiben, wird später in der Regel auch der Nominierte der Partei. Bei den ersten drei Vorwahlen in Iowa, New Hampshire und Nevada spielten die Afroamerikaner praktisch keine Rolle – jetzt dreht sich alles um sie. Doch wen sie diesmal unterstützen, ist nicht mehr so klar wie in früheren Jahren.
Klar, da ist Joe Biden, der frühere Vizepräsident von Barack Obama, der die Umfragen anführt – noch immer. Aber Sanders hat im Vergleich zu seiner letzten Kandidatur aufgeholt. Und mit dem Unternehmer Tom Steyer gibt es einen Bewerber, der praktisch seinen ganzen Wahlkampf auf South Carolina ausgerichtet hat, der Reparationszahlungen für die Sklaverei verspricht und schwarze Organisationen mit grosszügigen Spenden unterstützt. Steyers Wahlplakate hängen in South Carolina selbst in entlegenen Winkeln.
«Wie ein zweites 9/11»
Die Bankerin Stallion wählt Sanders wegen der Wirtschaft. Es stimme ja schon, dass die Aktienkurse gestiegen seien. «Aber wer hat schon Aktien? Viele normale Leute arbeiten zu Hungerlöhnen. Daran hat sich nichts geändert.» Sanders setze sich seit vielen Jahren für einen höheren gesetzlichen Mindestlohn ein. Und er befürworte den Erlass der horrend hohen Darlehen, die viele Amerikaner aufnehmen müssen, wenn sie studieren wollen. Sie selbst stottere immer noch ihre Schulden ab, sagt Stallion, «dabei habe ich selbst schon ein Kind; das schnürt dir die Luft ab».
Biden hilft, dass er zu den wenigen Demokraten zählt, die viel über Moral und Glauben reden.
Donald Trump redet zwar gerne darüber, dass die Arbeitslosigkeit unter den Schwarzen heute so tief sei wie fast noch nie. Doch nur 20 Prozent der Afroamerikaner glauben nach einer Umfrage der «Washington Post», dass dies das Verdienst des Präsidenten sei. Vor allem aber finden zwei Drittel, dass Trump den Rassismus im Land verschlimmert habe. «Der Wahltag fühlte sich an wie ein zweiter 11. September», sagt Fenton, ein 42-jähriger Schwarzer aus Charleston, der bei der Bundesregierung arbeitet und seinen Nachnamen deshalb nicht nennen will. «Zu sehen, dass ein Rassist wie Trump an die Macht kam, gab mir eine Depression, die nie mehr wegging.» Weisse Nationalisten fühlten sich wieder ermutigt, und nach den acht Jahren Präsidentschaft von Obama wirke vieles wie ein Rückschritt.
Der Glaube des Joe Biden
Trump aus dem Amt werfen, das Land wieder einen: Das ist die Botschaft von Joe Biden. Der 77-Jährige spricht bei seinen Wahlkampfauftritten keine drei Sätze, ohne Barack Obama zu erwähnen, was manchmal etwas plump wirken kann. Doch viele Schwarze scheinen es ihm nicht übelzunehmen. «Biden war ein exzellenter Vizepräsident», sagt der Rentner Robert Gailliard, der zu einer Rede Bidens an einer Universität in Charleston gekommen ist. Schwarze Wähler, meint der demokratische Politikberater Antjuan Seawright, seien eben sehr loyal. Biden habe sich über die Jahre um persönliche Beziehungen zu der schwarzen Gemeinde bemüht, besonders in South Carolina. Im Gegenzug könne er jetzt mit ihrer Unterstützung rechnen.
Biden hilft dabei auch die Tatsache, dass er als einer der wenigen Demokraten viel und offen über Glauben und Moral redet. Kaum eine andere Bevölkerungsgruppe ist so religiös wie die Schwarzen, und viele von ihnen schätzen es, wenn der Katholik etwa erzählt, wie ihm sein eigener Glaube half, über den Verlust zwei seiner Kinder und seiner ersten Ehefrau hinwegzukommen. «Wir kennen Joe, wir kennen sein hartes persönliches Schicksal, und Joe kennt uns», sagt die Rentnerin Bernice Jackson, die schon zum dritten Mal zu einem Auftritt Bidens gekommen ist. «Er ist ein grundanständiger Mensch.»
Die demokratische Partei hofft, dass es diesmal wieder mehr Wähler sein werden – dass die Abneigung gegen Trump ihre Leute an die Urne bringt.
Aber anders, als es in den Medien manchmal den Anschein macht, sind die schwarzen Wähler eben auch kein einheitlicher Block. Sympathien geniesst Biden besonders bei den älteren Wählern. Jüngere Afroamerikaner kommen dagegen oft auf Themen zu sprechen, die bei Biden eher nebensächlich sind: der Kampf gegen den Klimawandel oder die Reform des Justizwesens, das von rassistischen Strukturen geprägt ist. Es sind diese Wähler, von denen sich zum Beispiel Bernie Sanders viele Stimmen erhofft.
Fast so wichtig wie die Frage, für wen sich die Schwarzen schliesslich entscheiden, ist aber die Wahlbeteiligung. Hillary Clinton verlor die Wahl gegen Donald Trump auch deshalb, weil sie es nicht schaffte, in einigen entscheidenden Bundesstaaten genügend Afroamerikaner an die Urne zu bringen. Die mangelnde Begeisterung hatte sich dabei schon bei der Vorwahl in South Carolina abgezeichnet.
Damals gingen nur 370'000 Demokraten zur Wahl – ein massiver Rückgang gegenüber 2008, als Barack Obama auf dem Wahlzettel stand und mehr als 530'000 Demokraten an der Vorwahl teilnahmen. Die Partei hofft, dass es diesmal wieder mehr Wähler sein werden – dass die Abneigung gegen Trump ihre Leute an die Urne bringt.
Trumps Offensive
Doch auch der Präsident hat bereits angefangen, um die Schwarzen zu werben. Nur gerade 8 Prozent der Afroamerikaner gaben ihm vor drei Jahren ihre Stimme. Viel mehr werden es wohl auch im kommenden Herbst nicht sein, egal, wer der Gegenkandidat der Demokraten ist. Aber das ist auch gar nicht nötig: Schon ein paar Prozentpunkte mehr bei dieser Wählergruppe könnten ihm angesichts der knappen Margen zu einer Wiederwahl verhelfen.
Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner sagte es diese Woche so: «Man erhält nur die Stimmen, um die man sich auch bemüht.»
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