«Jetzt passiert Revolution, meine Lieben»
Man kann die Occupy-Bewegung ernst nehmen oder belächeln, eines muss man ihr zugestehen: Sie hat Menschen auf der ganzen Welt dazu animiert, über die aktuellen Probleme der Weltwirtschaft zu diskutieren – auch auf Redaktion Tamedia.
«Journalisten verlieren das intellektuelle Gleichgewicht», kommentierteRedaktion Tamedia-Autor Philipp Löpfe vor einigen Tagen die Berichterstattung zur Protestbewegung Occupy Wall Street. Konservative Politiker, Banker und eben auch Journalisten würden langsam nervös, denn spätestens seit dem vergangenen Wochenende sei klar, dass die Protestbewegung viel mehr ausgelöst habe, als jemals zu erwarten gewesen sei.
Löpfe spricht mit seinem Text den Graben an, der sich zwischen den Berufskollegen aufgetan zu haben scheint – zwischen jenen, welche die Banken als Verantwortliche für die weltweite Krise sehen, und jenen, die den Politikern die Schuld zuschieben.
Löpfes Worte lösten eine wahre Kommentar-Flut aus – fast 200 Leser wollten ihre Meinung zum Thema kundtun. Dabei zeigte sich: Es geht auch ihnen vor allem um Verantwortlichkeiten.
Banken oder Politiker, links oder rechts
Leser Rene Wetter ist überzeugt: «Nicht nur der Schuldenmacher ist verantwortlich, sondern auch derjenige, der leichtfertig Kredite vergibt.» Dasselbe meint Peter Hinz, wenn er schreibt: «Wir haben in Europa keine Bankenkrise, sondern eine Schuldenkrise. Verursacher sind die Politiker, die ihre Wahlversprechen mit Schuldenmachen einlösen.» Edith Habermann wirft ausserdem die Frage auf, welcher Couleur die auch ihrer Meinung nach schuldigen Politiker sind: «Es sind heute effektiv vorab linke Politiker, welche die Staatshaushalte ruinieren. Und genau diese Sozialisten schieben für ihr eigenes verantwortungsloses Handeln den Banken die Schuld zu.» Leser Simon Johner ärgert sich im Gegensatz dazu darüber, «dass Mitte- und Rechtsparteien sich auf dem Buckel der Armen und des Mittelstands bereichern».
Einen anderen Denkansatz verfolgt Marc Gubler – er sucht die Schuld beim einzelnen Bürger: «Die heutige Misere ist grösstenteils unsere Schuld, da wir seit Jahrzehnten übermässig dem Konsum erlegen sind, Parties, Alkohol, Drogen und Sex oberste Priorität haben.»
Unsinnige Suche nach Schuldigen
Über Schuld oder Unschuld von Banken und Politikern zu diskutieren, sei jedoch unsinnig, meint Roman Rebitz: «Leider vergessen viele, dass die Politiker und die Banken ein und dasselbe sind.» Das meint auch Martin Tschuemperlin, wenn er schreibt: «Es gibt keinen Unterschied mehr zwischen Banken, Politik und sogenanntem Staat. Die Politiker sitzen in den Verwaltungsräten der Banken und die Banker haben ihre Lobbyisten in der Politik.»
Ins gleiche Horn stösst Leser Alex Bötschi: «Es geht nicht darum, wer schuld ist, es geht darum, die Zukunft zu verändern. Um gerechtere Verteilung, fertig.» Bei der Frage, wie diese Veränderung zustande kommen kann, geht es dann wieder um die Rolle der Protestierenden. Sind sie «von Papi finanzierte» Camper, wie Lukas Hess findet, oder stellen sie die Mehrheit eines wütenden Volkes dar, wie Peter Leimbacher schreibt? So oder so würden sie mehr bewirken, wenn sie für ihre politischen Ziele in Bern, ihrem Kanton oder ihrer Gemeinde eintreten würden, findet Lukas Hess.
«Der grosse Klassenkampf des 21. Jahrhunderts»
Peter Leimbacher ist hingegen davon überzeugt, dass die Demonstrationen ihre Wirkung zeigen werden: «Jetzt passiert Revolution, meine Lieben. Was mit friedlicher Besetzung und konfuser Botschaft begonnen hat, wird der grosse Klassenkampf des 21. Jahrhunderts werden.» Stefan Sutter fordert die Leser dazu auf, «das Thema am Laufen zu halten. Teilt die Nachrichten, Videos und Bilder mit euren Freunden. Versucht sie dazu zu bewegen, teilzunehmen. Motiviert sie.» Der Samen sei gesetzt und er werde gedeihen.
Links oder rechts, Banken oder Politiker, Camper oder Vertreter einer Volksbewegung – wer woran Schuld hat und welches Potenzial die Occupy-Bewegung wirklich in sich birgt, können die Leser von Redaktion Tamedia natürlich nicht abschliessend beantworten. Es bleibt allerdings zu hoffen, dass es nicht ganz so weit kommt wie Luis Frei prophezeit: «Geld sollte durch Bananen ersetzt werden, denn wir leben schon in einer Bananenrepublik.»
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