Jetzt offen: Honeckers unterirdischer Bunker
Am Samstag wird der geheime Zufluchtsort des ehemaligen DDR-Diktators dem Publikum geöffnet.
50 Kilometer nördlich von Berlin, sogar nur fünf vom einstigen Wohnsitz des DDR-Staats- und Parteichefs in Wandlitz entfernt liegt Prenden. In einem dichten Kiefernwald hinter dem kleinen Dorf war zwischen 1978 und 1983 ein riesiger Atombunker für ihn und den engsten DDR-Führungszirkel eingerichtet worden.
Von der hermetisch abgeschlossenen Anlage aus sollten die obersten SED-Genossen im Falle eines westlichen Atomschlages die Verteidigung lenken. Fast 19 Jahre nach dem Mauerfall ist das einst streng geheime Bauwerk mit dem militärischen Codenamen 17/5001 ab Samstag erstmals öffentlich zugänglich.
Honecker selbst hat das gigantische Betonverliess in bis zu 30 Metern Tiefe nur einmal zwei Stunden lang besichtigt, zur Fertigstellung am 13. Dezember 1983. Besser als der 1994 verstorbene SED-Generalsekretär kennt sich mittlerweile Hannes Hensel vom Berliner Bunker-Netzwerk (BBN) in dem Bau aus. Seit gut zwei Jahren klettert der Panoramafotograf durch die drei Bunkeretagen, um jeden der etwa 300 Räume mit seiner Kamera zu dokumentieren.
«Zur Bauzeit war dies das aufwendigste Schutzbauwerk des Warschauer Vertrages ausserhalb der Sowjetunion», sagt Hensel. Die Anlage steht seit einigen Jahren unter Denkmalschutz, vor allem wegen ihrer einzigartigen Tragwerke mit Stickstoffdämpfern.
Räume frei schwingend aufgehängt
An ihnen waren die wichtigsten, teils zweistöckigen Aufenthaltsbereiche für die DDR-Führung frei schwingend aufgehängt, um Bodenschockwellen nach der Explosion einer Atombombe ausgleichen zu können. Fast einen halben Meter weit hätten die Räume in diesem Fall sanft und schadlos auspendeln sollen.
Für Besucher sind aber auch die schieren Dimensionen des Zeugnisses aus dem Kalten Krieg beeindruckend. «Allein der verbaute Beton würde heute etwa 2,5 Millionen Euro kosten», schätzt Hensel. Fast eine ganze Kleinstadt verbarg sich unter der Erde. Das 66 mal 49 Meter breite und 23,5 Meter hohe Bauwerk steht auf einer 2,4 Meter dicken Bodenplatte. Die obere Decke, die sogenannte Zerschellschicht, besteht aus bis zu 3,8 Meter dickem Beton.
Bis zu 400 Menschen - neben dem Nationalen Verteidigungsrat vor allem Personal - sollten in dem Bunker 14 Tage lang überleben können. Dafür waren eine eigene Wasseraufbereitung aus einem Brunnen, Luft- und Stromversorgung, Klimaanlagen, ein medizinischer Bereich mit Operationsraum, eine Grossküche und ein Dekontaminationsbereich eingebaut worden. Riesige Kompressoren und fünf 3.000 Liter Druckluft fassende Tanks sollten für einen ständigen Überdruck im Inneren sorgen, damit keine Gase von aussen eindringen konnten.
Nach 14 Tagen, so sah es der Plan vor, sollte die DDR-Führung den Bunker per Auto verlassen und vom nächsten funktionierenden Flughafen aus in Richtung Moskau ausgeflogen werden. Eine riesige Telekommunikationsanlage mit Telefonen, Fernschreibern und Verbindungen zu eigenen Sendern sorgte für Kontakte mit dem gesamten Ostblock.
Bis Ende 1989 rund um die Uhr in Betrieb
Bis Ende 1989 hielten etwa 30 Angehörige der Staatssicherheit den Bunker rund um die Uhr in Betrieb. Nach der Wiedervereinigung zog die Bundeswehr ein, die noch bis 1993 die Kommunikationszentrale nutzte. Nachdem auch die westdeutsche Armee das Areal geräumt hatte, wurden grosse Teile der Einrichtung ausgeräumt und die fünf für die Stromversorgung genutzten Dieselaggregate verkauft. «Dann hat die Bundeswehr den Zugang zubetoniert», berichtet Hensel.
Mit der Zeit aber sprach sich herum, was es im Wald hinter Prenden zu entdecken gibt. Neugierige stemmten 2002 illegal wieder ein Loch in den versperrten Eingang und begannen den Bunker auf eigene Faust zu erkunden. Diebe nahmen Kupferkabel und verbliebene Einrichtungsgegenstände mit. Während fast alle Möbel verschwunden sind, stehen aber heute noch überraschend viele technische Geräte an ihrem Platz.
Vier Stahltüren versperrten Zugang
In der Tiefe versperren vier schwere Stahltüren den Zugang. Dahinter herrschen auch in diesen hochsommerlichen Tagen nur etwa zehn Grad Temperatur, die Luft ist feucht und muffig. Auf dreistöckigen Mannschaftsbetten hat sich ebenso dicker Schimmel ausgebreitet wie auf Honeckers altem Fernschreiber. Das typische DDR-Linoleum aber, mit dem grosse Teile des Bunkers ausgelegt sind, hat standgehalten. Selbst die buntgemusterten Wachstuchvorhänge vor den Chemieduschen zur Dekontaminierung hängen noch.
All das kann täglich bis Ende Oktober besichtigt werden. «Wir bieten zweistündige Führungen für 20 Euro je Person an», sagt Hannes Hensel. Dabei geht es durch die Bunkerzentrale mit riesigen Schaltpulten, von der aus alle technischen Anlagen gesteuert wurden. Zu sehen sind unter anderem auch Mannschaftsschlafräume, das Wasserwerk, Honeckers Arbeitsräume, die Feuerlöschanlage und die riesigen Stickstoffdämpfer. Für 100 Euro kann man sogar vier Stunden unter Tage bleiben und sich auch durch enge Luken zwängen und in schwer zugängliche Räume klettern.
Nach der dreimonatigen Besichtigungszeit soll der Bunker dann dauerhaft verschlossen werden. «Es gibt leider kein tragfähiges Konzept, um das Bauwerk als Museum zu betreiben. Das wäre zu teuer», sagt Hensel. Um die weitere Zerstörung des Denkmals ebenso wie Unfälle zu verhindern, müsse der Zugang wieder betoniert werden. Interessenten bleiben dann noch Hensels Panoramabilder, die voraussichtlich 2010 im Internet einen zumindest virtuellen Rundgang durch den Honeckerbunker ermöglichen sollen.
http://www.bunker5001.com/
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