«Jetzt muss der Bundesrat aktiv werden»
Nach der Gewalt-Eskalation in Zürich: Johanna Bundi Ryser, die Präsidentin des Schweizer Polizistenverbands, fordert schärfere Strafen bei Gewalt gegen Beamte.
BaZ: Frau Bundi Ryser, vor wenigen Tagen wurde in Genf ein Polizist, der bei einer Schlägerei eingreifen wollte, mit einem Faustschlag niedergestreckt. Er erlitt einen Schädelbruch und musste ins Koma versetzt werden. Und am Samstag wurden in Zürich Polizisten mit Flaschen und Steinen angegriffen und verletzt. Ist solche Gewalt gegen Polizeibeamte mittlerweile der Normalfall?
Johanna Bundi Ryser: Solche schwerwiegenden Angriffe häufen sich. So wurde eine Polizistin bei einer Kontrolle an einer Autobahn absichtlich angefahren, als sie einem Lenker signalisierte, er solle anhalten. Und an Fussballspielen werden Polizisten mit schweren Gegenständen beworfen. Man kann nicht mehr von Einzelfällen sprechen.
Die Statistik der letzten Jahre zeigt in der Tat einen starken Anstieg von Bedrohungen und Angriffen gegenüber Polizeibeamten. Was könnte der Grund für die steigende Gewaltbereitschaft sein?
Darüber kann man nur spekulieren. Es sind wohl verschiedene Ursachen. Leider fehlen Informationen zu den Hintergründen, den Motiven und zum Verhalten solcher Täter weitgehend. Es wäre an der Zeit, hierzu systematisch Daten zu sammeln. Gut wäre etwa zu wissen, woher die Täter stammen und wie oft sie gewalttätig werden. Aufgrund solcher Informationen könnte man dann geeignete Massnahmen ableiten bezüglich Prävention und Strafen.
Ist es wahr, dass Menschen mit Migrationshintergrund eher dazu neigen, den Respekt vor Polizeibeamten zu verlieren?
Da es an Statistiken fehlt, kann man über einen solchen Zusammenhang nur mutmassen. Ich halte es jedenfalls für plausibel, will mich aber nicht zu Spekulationen hinreissen lassen. Fakt ist, es gibt Kulturen, die einen anderen Umgang mit Konflikten pflegen als wir in der Schweiz. Mir scheint aber, dass gewisse Politiker kein Interesse haben, solche Zusammenhänge aufzudecken. Stattdessen reden sie von bedauerlichen Einzelfällen. Wichtig wäre aber, die Gewalt gegen Polizisten nicht schönzureden, sondern sie nüchtern zu ergründen und die Ursachen beim Namen zu nennen. Nur so kann dieses Problem angegangen und gelöst werden.
Kann man ausschliessen, dass die Statistiken darum eine so starke Zunahme von Gewalt gegen Polizeibeamte zeigen, weil Polizisten heute im Gegensatz zu früher weniger bereit sind, Übergriffe hinzunehmen, und entsprechende Fälle konsequenter melden?
Solche Deutungen erscheinen mir spekulativ. Wir vom Verband fordern unsere Mitglieder jedenfalls dazu auf, Drohungen und Angriffe konsequent zur Anzeige zu bringen. Manchmal bekomme ich gehört, Polizisten müssten mit verbaler und physischer Gewalt gegen sie rechnen, das gehöre quasi zu ihrem Beruf. Eine solche Haltung ist nicht hinnehmbar. Oder muss etwa eine Serviceangestellte sexuelle Belästigungen in Kauf nehmen? Polizistinnen und Polizisten müssen ihren beruflichen Auftrag ausführen können, ohne dass sie dabei behindert oder gar verletzt werden.
Der Verband Schweizerischer Polizeibeamter hat letzte Woche in einem Communiqué unter dem Titel «Muss zuerst ein Polizist sterben, damit die Politik reagiert?» härtere Sanktionen gegen Personen gefordert, die Beamte bedrohen oder angreifen. Nützt die Androhung von Strafen, wie etwa eine unbedingte Gefängnisstrafe, wirklich gegen solche Gewalt?
Sie wäre zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Bis jetzt wird Gewalt gegen Polizisten oft als Kavaliersdelikt erachtet. Geldstrafen, vor allem wenn sie bedingt ausgesprochen sind, beeindrucken kaum jemanden. Wenn solche Täter aber ins Gefängnis müssten, wäre das ein klares Signal, dass es bezüglich Übergriffen gegen Polizistinnen und Polizisten keine Toleranz gibt. Drei Tage Haft wären das Minimum.
Im Parlament wurden zwei parlamentarische Initiativen lanciert, die die Strafen bei Gewalt gegen Polizisten in Ihrem Sinn verschärfen will. Die zuständige Nationalratskommission hat bereits mit 20 gegen fünf Stimmen Ja dazu gesagt. Sie aber kommen gemäss Communiqué zum Schluss, die Politik sei untätig. Warum?
Die Sitzung der Kommission war im letzten Februar. Aber uns scheint, dass in Bundesbern nicht wirklich viel Wille für eine Verschärfung der Strafen bei Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten vorhanden ist. Im Parlament wurde zwar schon mehrfach signalisiert, dass man das Problem erkannt habe. Wichtig wäre aber, dass der Bundesrat und die Verwaltung aktiv werden und Vorschläge auf den Tisch legen. Eins ist sicher: Wir vom Verband Schweizerischer Polizei-Beamter werden nicht lockerlassen.
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