Jetzt ist Schluss mit der Qualmerei
Über 25 Jahre hat es gebraucht, um das Rauchverbot in der österreichischen Gastronomie hinzukriegen. Doch die Wirte sind noch immer empört.

Discokugeln hängen an der Decke der Kaktusbar, die Regale hinter der halbrunden Theke sind bestens sortiert. Hier wird getrunken, geraucht und auf den Bänken getanzt – seit 30 Jahren. «Der Kaktus ist die Mutter aller Stimmungskneipen», sagt der stolze Wirt Franz Aibler. «Fast jeder Wiener hat schon mal eine Nacht im Kaktus gefeiert.» Kulturgut also – und akut bedroht.
Die Bedrohung kommt nach Ansicht Aiblers und Tausender anderer Wirte aus der Politik, vom Gesetzgeber also, der nach fast einem Vierteljahrhundert der kulturkämpferischen Debatten nun auch in Österreich ein generelles Rauchverbot in der Gastronomie einführt. Von heute an ist Schluss mit dem Rauchen, und Aibler sieht Grund zur Klage: «Man fühlt sich im Stich gelassen, alles Unpopuläre wird auf die Wirte abgewälzt.»
Geklagt hat er gegen das Rauchverbot auch vor dem österreichischen Verfassungsgerichtshof. Als Speerspitze einer Initiative von etwa 2500 Wirten wollte er noch in letzter Minute eine Ausnahmegenehmigung erreichen für die Nachtgastronomie, für kleine Bars und grosse Clubs also. Hauptargument ist die zu erwartende Lärmbelastung für die Anwohner, wenn sich die Raucher vor den Kneipen sammeln. Die Wirte haben ausgerechnet, dass dann plötzlich des Nachts eine dampfende Menge von 50'000 Menschen auf der Strasse steht, verteilt aufs ganze Land allerdings. Die Richter haben die Beschwerde abgewiesen, und Aibler sagt schulterzuckend: «Natürlich werden wir uns jetzt alle ans Gesetz halten.»
Hohe Bussen
Alles andere dürfte ihn auch teuer zu stehen kommen, weil die für die Umsetzung des Rauchverbots zuständige Wiener Stadträtin harte Strafen und vor allem «keine Schonfrist» angekündigt hat. Von 1. November um null Uhr und eine Sekunde an könnte sie ihre Kontrolleure losschicken. Bei der ersten Anzeige sind 800 Euro fällig, im Wiederholungsfall 10'000 Euro – die Rechnung zahlt der Wirt. Der Rauchsünder selber kommt beim ersten Mal mit 100 Euro davon.
800 Euro sind bei der ersten Anzeige fällig, 10000 im Wiederholungsfall. Diese Rechnung bezahlt der Wirt.
Es war ein zäher Zermürbungskampf, den die Verfechter des «freien Tschickistan» – Tschick ist die Zigarette in Österreich – verloren haben. Die Genese ist so wahrscheinlich nur in Österreich möglich, ein Hin und Her mit ständig neuen Volten: Schon im Jahr 1992 waren die ersten Vorhaben zum Rauchverbot in der Gastronomie vom damaligen Gesundheitsminister präsentiert worden.
Seit 2010 sind getrennte Bereiche für Raucher und Nichtraucher vorgeschrieben. 2015 einigte sich die damalige rot-schwarze Regierung auf ein generelles Rauchverbot, das aber erst zum 1. Mai 2018 in Kraft treten sollte. Kurz davor wurde durch eine neue Regierung aus ÖVP und FPÖ das Kippenverbot wieder gekippt. Ein von Krebshilfe und Ärztekammer initiiertes Nichtraucher-Volksbegehren wurde daraufhin von fast 900'000 Menschen unterzeichnet, und als die türkis-blaue Koalition am Ibiza-Skandal zerbrach, verloren auch die Raucher ihren Schutzpatron Heinz-Christian Strache. Gegen die Stimmen der FPÖ beschloss das Parlament dann ruckzuck Anfang Juli das Verbot zum 1. November – und zwar so rigide, dass keine Ausnahmen vorgesehen sind.
60 Prozent Rauchkunden
«Ibiza ist auch unser Untergang», sagt Jakob Baran. Früher hat er erfolgreich American Football gespielt, in die Weltauswahl berufen mit 19 Jahren. Doch nach einer schweren Verletzung war die Karriere zu Ende, und er eröffnete eine Shisha-Bar im Donauzentrum, einer Einkaufsmall in Wien-Kagran. Süsser Rauch zieht nun durchs Titan, und über Jakob Baran hängen dunkle Wolken. «Wir haben auch Snacks und Drinks, aber zu uns kommen die Menschen wegen der Wasserpfeife», sagt er, «das macht 60 Prozent unseres Umsatzes aus.» Das Rauchverbot bedrohe seine Existenz.
Auch Jakob Baran hat eine Klage eingereicht vor dem Verfassungsgerichtshof, im Namen der VSBÖ, der Vereinigung der Shisha-Bar-Betreiber Österreichs. «8000 Arbeitsplätze hängen da bei uns dran», sagt er, ein Drittel der Shisha-Bar-Betreiber wolle bereits verkaufen. Unter dem Strich ist er zwar optimistisch, unter Auflagen wie in anderen Ländern eine Sonderreglung für Shisha-Bars zu erreichen. Das Problem ist nur, dass sich die Verfassungsrichter wohl erst in einigen Monaten mit dem Fall befassen. «Unsere Angst ist, dass wir dann eine Branche retten, die es nicht mehr gibt.»
Ein Versuch als Nichtraucher
Für die Wirte und ihre rauchende Kundschaft beginnt heute also eine Zeitenwende, und für Oswald Täubl, den Wirt der Kantine im 9. Bezirk, muss das trotz allem auch ein bisschen gefeiert werden. «Wir swingen ins Nichtraucher-Dasein», steht auf einer Konzertankündigung am Lokaleingang. «Wenn ich mich schon so dermassen bestimmen lassen muss, dann will ich auch einen Spass haben», sagt er.
In der Kantine direkt neben dem Schauspielhaus geniesst sein, wie er sagt, «sehr künstlerisches Publikum» gute Musik und gutes thailändisches Essen, gut geräuchert allerdings. «Von unseren Stammgästen sind sicher 80 Prozent Raucher und gern Raucher», sagt er. «Aber dass es zu Mega-Einbussen kommt, das glaube ich nicht.»
Die einen, so hofft er, gehen halt raus zum Rauchen, und andere kommen rein, die sonst wohl nicht gekommen wären. «Wir haben für November schon viele Reservierungen von Leuten, die sagen: Endlich seid ihr auch was für Nichtraucher.» Täubl will nun übrigens auch mal wieder selber einen Versuch unternehmen, das Rauchen aufzugeben. «Aber nicht, weil es jetzt das Gesetz gibt», sagt er. «Der Anlass ist, dass ich das selber will, das andere ist mir zu blöd.»
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