Italien zittert, weil Spaniens Wirtschaft schrumpft
Die Eurokrise ist wieder akut: Spanien leidet unter verschärfter Rezession, steigenden Zinsen und pleitebedrohten Provinzen. Der Platz unter dem Rettungsschirm könnte knapp werden.

Die Nachrichten aus Spanien haben heute für Kursstürze an den Börsen gesorgt. In Spanien und Italien gaben die Aktienkurse an den Leitbörsen in Madrid und Mailand am Montag zwischenzeitlich um mehr als fünf Prozent nach. Dass die Wirtschaft schrumpft und die Region Murcia offenbar bei der Zentralregierung Finanzhilfe beantragt, lässt es wahrscheinlicher erscheinen, dass Spanien unter den Euro-Rettungsschirm muss. Bisher hatte Spanien nur Hilfe von der Eurogruppe für seine Banken erhalten. Wäre Spanien unter dem Rettungsschirm, würde der Platz für Italien wiederum knapp.
Der italienische Ministerpräsident Mario Monti, der sich zu einem Besuch in Moskau aufhielt, bezeichnete die Situation für die Eurozone als «schwierig». Angesichts der derzeitigen Finanzkrise wird über die Möglichkeit einer vorgezogenen Neuwahl in Italien spekuliert. Monti deutete in einem Interview der russischen Zeitung «Rossijskaja Gaseta» an, dass er bis Ablauf der derzeitigen Legislaturperiode im Frühjahr im Amt bleiben wolle, sich aber anschliessend nicht um einen neuen politischen Posten bemühen werde.
Unterdessen stiegen die Zinsen für zehnjährige italienische Staatsanleihen um 0,25 Prozentpunkte auf 6,32 Prozent. Neuen Angaben des europäischen Statistikamts Eurostat zufolge beträgt die Staatsverschuldung Italiens inzwischen 123 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist nach Griechenland der zweithöchste Wert in Europa.
Risikoaufschlag auf kritischem Niveau
In Spanien jagte zum Wochenauftakt eine schlechte Nachricht die nächste: Die Wirtschaft schrumpfte im zweiten Quartal weiter – um 0,4 Prozent. Der Risikoaufschlag für zehnjährige Anleihen stieg auf ein kritisches Niveau. Und nach Valencia will nun offenbar auch die Region Murcia um finanziellen Beistand der Zentralregierung bitten.
Im Handelsverlauf kletterte der Risikoaufschlag der zehnjährigen Anleihen zeitweise um 0,33 Prozentpunkte auf 7,56 Prozent. Das ist der höchste Stand seit Einführung der europäischen Gemeinschaftswährung 1999 und liegt über der Marke von sieben Prozent, bei der Griechenland, Irland und Portugal unter den Rettungsschirm schlüpften. Der Ibex-35-Aktienindex gab deutlich nach.
«Diese Werte weisen darauf hin, dass es Spanien bald schwer fallen könnte, sich selbst am Markt zu finanzieren», mahnte der Analyst Gary Jenkins von Swordfish Research. Ohne entsprechende Gegenmassnahmen wäre das Land dann auf den Rettungsschirm angewiesen.
Schuldenberg der Regionen
Nur kurz vorher teilte die Regionalregierung von Murcia mit, sie erwäge einen Antrag auf Unterstützung. Mit Blick auf einen vom Staat bereitgestellten Liquiditätsfonds denke die Region über die Bitte um Hilfe nach, hiess es in einer Stellungnahme am Sonntagabend. Erst am Freitag hatte Valencia als erste Region in Madrid um finanzielle Unterstützung gebeten, um Gläubiger bezahlen und ausstehende Rechnungen begleichen zu können.
Nach einem Bericht der Zeitung «El País» haben die 17 halbautonomen spanischen Regionen einen Schuldenberg von 140 Milliarden Euro angehäuft, von dem 36 Milliarden Euro noch in diesem Jahr refinanziert werden müssen. Ein Fonds für die Regionen wurde Mitte des Monats aufgelegt. Für den spanischen Bankensektor gab die Eurogruppe am Freitag ein Rettungspaket in Höhe von bis zu 100 Milliarden Euro frei.
Spanien hat auf die Misere zuletzt mit einer weiteren Runde aus Sparmassnahmen und Strukturreformen reagiert, um das Vertrauen der Anleger wieder zu gewinnen. Der Widerstand gegen das Sparpaket von Ministerpräsident Mariano Rajoy aber wächst, Wut und Empörung haben bereits Hunderttausende Spanier zu Protesten auf die Strassen getrieben.
Einschränkung des Handels
Bei Börsenschluss verbuchte Madrid ein Minus von 1,1 Prozent, in Mailand waren es 2,76 Prozent. Auch der Euro schwächelte. An den Aktienmärkten in Frankfurt, London und Paris gab es Kursverluste zwischen zwei und gut drei Prozent. Ähnlich war die Lage an den asiatischen Handelsplätzen. An der Wall Street in New York schloss der Dow-Jones mit einem Minus von 0,8 Prozent.
Angesichts der Kursverluste an den Finanzmärkten haben Spanien und Italien ein Leerverkäufe-Verbot verhängt. Dies sei angesichts der Volatilität an den europäischen Märkten beschlossen worden und solle für drei Monate gelten, teilt die spanische Börsenaufsicht mit. In Italien untersagte die Börsenaufsicht Leerverkäufe von Aktien, nachdem der Leitindex FTSE-MIB an der Mailänder Börse am Morgen vorübergehend um mehr als fünf Prozent abgestürzt war. Das Verbot soll eine Woche gelten. Der Handel mit Aktien einiger Banken und Finanzgruppen wurde nach starken Verlusten vorübergehend ausgesetzt. Grund für den Einbruch war die Furcht vor einer weiteren Verschärfung der Schuldenkrise in Europa. Investoren befürchten, dass auch Spanien unter den internationalen Rettungsschirm schlüpfen muss. Für eine Hilfe für Italien wäre dann nicht mehr ausreichend Geld vorhanden.
dapd/sda/mw
Dieser Artikel wurde automatisch aus unserem alten Redaktionssystem auf unsere neue Website importiert. Falls Sie auf Darstellungsfehler stossen, bitten wir um Verständnis und einen Hinweis: community-feedback@tamedia.ch