Wochenduell zu Andres AmbühlIst Andres Ambühl der grösste Schweizer Eishockeyaner der Geschichte?
Vergangene Woche absolvierte Andres Ambühl sein 306. Länderspiel für die Schweiz und ist damit alleiniger Rekord-Nationalspieler. Macht ihn das zum grössten Schweizer Hockeyaner?

Foto: Björn Larsson Rosvall (Keystone)
Ja: Andres Ambühl ist der lebende Beweis dafür, dass sich die Grösse eines Sportlers nicht nur durch Statistiken bemessen lässt.
Andres Ambühl ist mehr als nur ein Eishockeyspieler. Andres Ambühl ist eine Institution, eine Ikone, eine Legende. Er ist der lebende Beweis dafür, dass sich die Grösse eines Sportlers nicht nur durch Statistiken bemessen lässt.
Und selbst da hat er stichhaltige Argumente dafür, der grösste Schweizer Eishockeyspieler der Geschichte zu sein. Klar, in der ewigen Skorerliste der National League belegt der rechte Flügel Ambühl mit insgesamt 597 Punkten «nur» Rang sieben – und ein internationaler Titel fehlt in seinem Palmarès bislang.
Aber der gebürtige Davoser hält mehrere Rekorde, national und international: So ist er nicht nur der Akteur mit den meisten Einsätzen für den Schweizer Rekordmeister HC Davos, sondern er überflügelte vergangene Woche in der Partie gegen Schweden mit seinem 306. Einsatz für das Schweizer Eishockey-Nationalteam auch den bisherigen Rekordhalter für die meisten Länderspiele, Mathias Seger. Er nahm mit der Schweiz zwischen 2006 und 2022 an allen Olympischen Winterspielen teil. Und an Weltmeisterschaften war Ambühl seit seiner Premiere 2004 – bis auf eine Ausnahme 2018 – ebenfalls an jeder Ausgabe dabei, wodurch er an der WM im letzten Jahr mit 123 Einsätzen zum weltweiten Rekordspieler avancierte.
Herausragende Zahlen wie diese haben stets einen entscheidenden Hintergrund: In all den Jahren setzten die Trainer von Davos und der Schweiz auf die Dienste des bald 40-Jährigen. Ambühl mauserte sich durch seine Leistungen zum Unverzichtbaren. Das ist kein Zufall: Der Routinier besticht seit jeher durch eine Konstanz, Variabilität und Arbeitsmoral, durch die er auch noch im hohen Sportleralter auf Topniveau performen kann.
Ähnlich tugendhaft präsentiert sich Ambühl ausserhalb des Eisfeldes: So hält er seinem Heimatverein – mit einem vierjährigen Unterbruch – seit 2000 die Treue und feierte dort fünf Schweizer-Meister-Titel. In einer Sportwelt, in der das Finanzielle schnell einmal für einen Loyalitätsbruch sorgt, ist das eher Ausnahme denn Regel. Zudem wird der Stürmer für seine Bescheidenheit geschätzt. Kein Wunder, wurde er von den Fans schon mehrfach zum populärsten Spieler der Liga gekürt.
Und die Erfolgsgeschichte des Dauerbrenners geht ja auch noch ein wenig weiter: Erst im letzten Jahr verlängerte Ambühl seinen Vertrag beim HCD bis 2025. Mindestens zwei Saisons hat er also noch Zeit, die nächsten Rekorde zu knacken und damit seinen Status als grösster Schweizer Eishockeyaner auch in statistischer Hinsicht weiter auszuschmücken. Nur zur Erinnerung: Die Rekordmarke für die meisten NLA-Spiele (1042) von Beat Gerber ist nur 53 Partien entfernt. Daniel Schmidt
Nein: Andres Ambühl steht für beeindruckende Konstanz, Mark Streit konnte diese jedoch auf höherem Niveau erbringen.
Andres Ambühl ist zweifelsohne einer der grössten Eishockeyspieler, die die Schweiz je hervorgebracht hat. Dafür, ihn als Besten aller Zeiten zu betiteln, spricht jedoch höchstens seine Konstanz. Doch diese allein reicht dafür nicht aus.
Die Schweizer National League (oder ehemals: Nationalliga A) gehört zu einer der besten in Europa. Und Andres Ambühl zu einem der besten Spieler der Liga-Historie. Die Besten der Welt messen sich jedoch nicht in Europa, sondern in der nordamerikanischen National Hockey League. Die Schweiz als Eishockey-Nation darf stolz darauf sein, bereits durch über 40 Spieler in der NHL vertreten gewesen zu sein, 12 davon sind noch immer aktiv. Andres Ambühl war nie einer davon.
Im Jahr 2009 wagte der Bündner zwar den Sprung in die Staaten, als er von den New York Rangers verpflichtet wurde. Für diese absolvierte Ambühl jedoch kein einziges Spiel, kam nur ein Jahr lang für den Hatford Wolf Pack – das Farmteam der Rangers – zum Einsatz. Und auch dort nur mit überschaubarem Erfolg: In 64 Einsätzen verbuchte Ambühl gerade einmal 14 Skorerpunkte. Ambühl kehrte Amerika also nicht aus finanzieller Bescheidenheit den Rücken, sondern weil er sich einfach nicht durchsetzen konnte.
Andere Schweizer kamen in Amerika nicht nur häufiger zum Einsatz, sondern wussten dort gar zu dominieren. Besonders zwei Akteure stechen hierbei besonders hervor: Zum einen wäre da Roman Josi. Der Berner führte die Nashville Predators 2017 in den Stanley-Cup-Final, führt seine Mannschaft seither als Captain an und wurde 2020 mit der James Morris Memorial Trophy als bester Abwehrspieler der Liga gewählt. Dazu kommen bis dato zwei Nominierungen für das All-Star-Team der Saison.
Überschattet wird Josi wohl nur von Mark Streit. Der ehemalige Verteidiger war der erste Schweizer, der sich als Feldspieler in der NHL durchsetzte und dort insgesamt 820 Spiele für die Montreal Canadiens, die New York Islanders, die Philadelphia Flyers und die Pittsburgh Penguins absolvierte. Bei den Islanders wurde er der erste Schweizer NHL-Captain, und mit den Penguins gewann er sogar den Stanley Cup. Wie Ambühl bestach auch Streit als jahrelanger Spielführer der Nationalmannschaft durch beeindruckende Konstanz – einfach auf höherem Niveau. Folgerichtig gebührt wohl ihm auch der Titel als bester Schweizer Eishockeyspieler der Geschichte. Benjamin Schmidt
Fehler gefunden?Jetzt melden.