Erdogan gehen die Verbündeten ausDer Islamistenfreund sucht die Nähe des Islamistenfressers
Lange galt Ägyptens Staatschef für die Türkei als Putschist und Paria. Doch jetzt, da Präsident Erdogan fast völlig isoliert ist, buhlt er wieder um Kairo.

Nach dem Winter folgt das Tauwetter, blüht das Leben wieder auf. In der Natur jedenfalls. In der Politik kann es dauern. Beispiel Ägypten und die Türkei. Die Beziehungen sind frostig, seit sieben Jahren, seit Ende des Arabischen Frühlings. In Ankara regiert mit Präsident Recep Tayyip Erdogan ein Islamistenfreund, in Kairo mit General Abdel Fattah al-Sisi ein Islamistenfresser. Jetzt plötzlich sucht Ankara wieder Nähe zu Kairo. Man habe erstmals wieder Kontakt auf der Ebene der Geheimdienste und der Aussenministerien, verkündete der türkische Chefdiplomat Mevlüt Cavusoglu. Als ob dies nicht reiche, schaltete sich der Staatschef ein. Zwar seien die Kontakte «noch nicht auf dem allerhöchsten Niveau», so Erdogan. Aber er habe auch «kein Problem» mit einer Annäherung ganz oben.
Die Beziehungen hatte Ankara 2013 abgebrochen, nach dem Militärputsch von Sisi gegen den gewählten Islamisten-Präsidenten Mohamed Mursi. Im Arabischen Frühling hatte sich die türkische Regierung auf die Seite der Aufständischen gestellt, den Sturz der autoritären Regime in Tunesien, Ägypten und Libyen begrüsst, die Aufständischen in Syrien sogar mit Waffen versorgt. Besonders gross war die Liebe zwischen Ankara und Kairo, wo 2012 die Muslimbrüder herrschten. Bis Sisi putschte: Erdogan, der Islamist ist und gern den Vier-Finger-Gruss der Muslimbrüder zeigt, öffnete den geflohenen Ägyptern Tore und Türen. Istanbul wurde Rückzugsort der Bruderschaft.
Grosse Rohstoff-Allianz
Die Beweggründe für Ankaras jetzige Kehrtwende liegen auf der Hand. Erdogans Aussenpolitik, deren Instrumentenkasten von hemdsärmeligen Drohungen gegen Griechen und Zyprioten bis zur militärischen Einmischung in die Bürgerkriege in Libyen und in Syrien reicht, erweist sich als Sackgasse. Im Streit um die vermuteten Erdgasreserven im Mittelmeer steht die Türkei einer Rohstoff-Allianz aus Ägypten, Israel, Griechenland, Zypern und Frankreich gegenüber, die EU sanktioniert das türkische Säbelrasseln gegenüber den Mitgliedern Athen und Nikosia. Die Nato fürchtet einen militärischen Zusammenstoss der Allianzpartner Ankara und Athen, Washington warnt vor Eskalation, hält Militärmanöver mit den Griechen ab. Kurz: Der Hasardeur Erdogan mag im Mittelmeer kurzzeitig Erfolge erzielen, aber er hat sich Feinde gemacht.

In der arabischen Welt findet der nächste Zeitenwandel statt. Die konservativen sunnitischen Staaten, angeführt von Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), sehen im Iran den Hauptfeind, lassen das über Jahrzehnte zentrale Palästinenser-Problem links liegen. Bahrain, Marokko und die VAE haben diplomatische Beziehungen zu Israel aufgenommen. Saudiarabien ziert sich noch, könnte aber folgen. All diese Staaten standen im Arabischen Frühling gegen den Aufstand, schlugen ihn nieder oder halfen, ebendies zu tun. Nun bilden sie eine Allianz gegen Teheran, mehr oder weniger offen zusammen mit Israel. Ankara aber unterstützt bis heute die syrischen Aufständischen, schützt sie militärisch vor dem Assad-Regime. Auch in Libyen stand die Türkei aufseiten der Islamisten, traf dort auf eine Allianz arabischer Gegner. Ägypten, immer noch eine arabische Vormacht, verbietet sich zudem jede Einmischung der Türken in seinem Nachbarland: Sisi will, dass Erdogans Truppen abziehen.
Katar könnte Erdogan helfen
Weil sich die arabischen Staaten aussöhnen, muss die Türkei eine andere Rolle in Nahost suchen. Helfen könnte, dass sich die Golfstaaten inzwischen auch wieder mit dem einst abtrünnigen Emirat Katar vertragen, dem einzigen gewichtigen arabischen Alliierten der Türken. Katar könnte Erdogan helfen, eine weniger konfrontative Rolle zu spielen und dabei das Gesicht zu wahren. Erst einmal muss aber das Verhältnis zu Kairo normalisiert werden. Der ägyptische Aussenminister Sameh Shoukry merkte nur an: «Wenn die Türkei wirklich im Rahmen der ägyptischen Prinzipien und Ziele handelt, dann wäre der Rahmen für eine Rückkehr zur Normalisierung gegeben.»
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