Analyse zur Facebook-TochterInstagram hat sich verzettelt
Das soziale Netzwerk vereinfacht seine Videoangebote – der Wildwuchs war zu verwirrend für Nutzerinnen und Nutzer geworden. Ausserdem: Der Like in der Story könnte kommen.

Vergleicht man das heutige Instagram mit dem vor zehn Jahren, erkennt man es kaum wieder: Damals gab es nur Fotos zu sehen, Hashtags waren noch relativ neu. Im Herbst 2021 hat sich die Plattform längst dem Bewegtbild zugewandt: Storys, Reels, Videos, IGTV – vier verschiedene Formate, die um Aufmerksamkeit buhlen und unterstreichen, wie sehr der Facebook-Konzern, zu dem Instagram gehört, auf Film setzt.
Jetzt hat Instagram angekündigt, seine Videofunktion zu bündeln: Die Länge des Videos ist nicht mehr entscheidend, die Unterscheidung zwischen IGTV – also allen Videos, die über 60 Sekunden lang sind – und kürzeren Video-Posts entfällt. Stattdessen werden alle Videos in einem neuen Reiter im Nutzerprofil zusammengefasst. Reels, die bis zu dreissig Sekunden langen Videos, bleiben davon ebenso ausgenommen wie natürlich die Insta-Storys.
Ein Video ist sehenswert, oder eben nicht – egal, wie lang es ist
Die Durchschnittsnutzerin wird wenig davon merken – Instagram wird in der Regel im Feed konsumiert, aufs Profil geht man nur bei besonderem Interesse oder wenn man einen konkreten Post sucht. Die Neuordnung kann jedoch auch als Ausdruck dessen gelesen werden, dass sich Instagram mit seinen diversen Videoformaten verzettelt hat. Auch wenn man als Experte vielleicht einen gewissen Nutzen in den unterschiedlichen Filmlängen und den dazugehörigen Funktionen sieht, der Laiin ist das einerlei. Ein Video ist entweder sehenswert oder nicht, egal, ob es 15 Sekunden lang ist oder 5 Minuten.
Ein paar Änderungen gibt es übrigens doch: Videovorschauen im Feed sind neu 60 Sekunden lang – bisher wird man nach 15 Sekunden aufgefordert, zur Sektion IGTV zu wechseln. Für Leute, die Videos hochladen, wird es die Möglichkeit geben, den Clip zu schneiden, mit Filtern zu versehen sowie Konto- und Ortsmarkierungen vorzunehmen.
Instagram will die Anlaufstelle für alles Visuelle sein
Dass Instagram die Reels bei der Neuausrichtung der Videostrategie vorerst unangetastet lässt, mag irritieren, deutet aber auch auf den Anspruch hin, den Instagram hat: Fotoplattform, Youtube und Tiktok zugleich sein zu wollen. Die Ambition, zur Universal-Anlaufstelle – in diesem Fall für alles Visuelle – im Netz zu werden, ist nicht neu, Facebook hegt sie seit Jahren. Sie sauber zu trennen, ist ein delikater Drahtseilakt.
Der Erfolg der Storys, ein Konzept, welches andere vor Instagram schon erfolgreich praktiziert haben, bestärkt Instagram in seinem Vorhaben. Zu Recht. Viele Instagrammer nutzen diese Funktion, die es seit 2016 gibt, hauptsächlich, der eigentliche Profil-Feed mit bleibenden Inhalten ist nur noch Beiwerk. Ein ähnlicher Erfolg scheint sich bei Reels bislang noch nicht einzustellen. Dazu kommt: Beobachtet man den Trend bei Tiktok zu längeren Videos, wird das über kurz oder lang wohl auch Reels bei Instagram betreffen – wo bleibt dann noch die Abgrenzung zum Video-Post?
Mehr Like-Druck durch Herzchen in Insta-Storys
Das Formate-Wirrwarr bei Instagram wird also nur teilweise aufgelöst – die Userinnen können es natürlich auch positiv sehen: Man kann sich aussuchen, wofür man die Plattform nutzen möchte, und sich das zu eigen machen, was am besten zu den eigenen Bedürfnissen und Ausdrucksmöglichkeiten passt.
Eine andere Neuerung, an der Instagram angeblich arbeitet, dürfte für mehr Echo sorgen: Der Like in der Story könnte kommen. Diese Funktion wird bereits seit einiger Zeit erprobt und soll die halbgaren Schnellreaktionen mit Emojis ersetzen. Angesichts der aktuellen Enthüllungen und der Diskussion um psychische Störungen, die mit Social-Media-Nutzung einhergehen, dürfte sich hier auch Widerstand formieren. Zusätzlichen Like-Druck sollte Instagram wohl eher vermeiden als fördern.
Mathias Möller schreibt seit 2016 für Tamedia über Netzkultur, Netzpolitik und Popkultur. Ausserdem ist er Social-Media-Redaktor.
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