
Nach Basel gelockt hat ihn 1968 der damals frischgebackene Theaterdirektor Werner Düggelin. In der alten «Komödie» inszenierte der aus Graz stammende Hans Hollmann, promovierter Jurist und Absolvent des Wiener Max-Reinhardt-Seminars, Ödön von Horvaths Stück «Kasimir und Karoline».
Mit dieser Aufführung, die im gesamten deutschen Sprachraum Beachtung fand, setzte er einen neuen Massstab im Umgang mit dem genialen Dramatiker aus der Vorkriegszeit, der eben wiederentdeckt wurde. Und Hollmann entwickelte sich zu einem der gefragtesten Regisseure seiner Zeit.
Seinen wohl grössten Coup landete er 1974 mit «Die letzten Tage der Menschheit» von Karl Kraus im Rohbau des neuen Basler Stadttheaters. Er bespielte das weite, hohe Foyer mit einer auf zwei Abende verteilten, insgesamt acht Stunden langen und auf parallelen Schauplätzen inszenierten Szenenfolge aus diesem apokalyptischen Meisterwerk.
«Hans Hollmann war ein Theatermann, der immer neue künstlerische Herausforderungen suchte.»
Wie sehr Kraus’ bitterböse Abrechnung mit dem Europa des Ersten Weltkriegs Hollmann beschäftigte, zeigt sich nicht nur daran, dass er das Mammutstück in Wien ein weiteres Mal auf die Bühne brachte. Bis ins hohe Alter trat er auch selber immer mal wieder mit einer szenischen Lesung aus diesem Werk auf und zeigte dabei in den vielen Rollen seine grandiose sprecherische Verwandlungsfähigkeit.
Von 1975 bis 1978 war Hollmann in Basel Theaterdirektor, eine Aufgabe, die Düggelin im Neubau nicht mehr übernehmen wollte. Denn er wusste, dass man die nun höheren Betriebskosten (wie so oft in der Basler Kulturpolitik) nicht adäquat budgetiert hatte. Doch Hollmann packte engagiert und wagemutig an, führte Finanzdebatten, sorgte für Entdeckungen, aber auch – wie schon 1969 im alten Haus («Titus! Titus!») – mit Shakespeare erneut für viel Aufregung: Aus der «Othello»-Premiere von 1976 lief das halbe Publikum in der Pause betroffen weg.
1978 verlängerte Hollmann seinen Vertrag nicht mehr, um fortan als freier Regisseur tätig zu sein. Während er in allen grossen Theaterstädten Schauspiele und Opern inszenierte und in Frankfurt auch eine Professur für Regiearbeit innehatte, blieb er, mittlerweile eingebürgert, bis zu seinem Tod in Basel wohnhaft, wo er auf einen treuen Freundeskreis zählen konnte.
Hans Hollmann war ein Theatermann, der immer neue künstlerische Herausforderungen suchte. Gerade auch mit schwierigen Texten, so etwa von Elias Canetti, Elfriede Jelinek, Peter Handke oder Rainald Goetz. Historische Stücke, ob von Goethe oder Horvath, aktualisierte er nie, wie das immer mehr in Mode kam, sondern er arbeitete ihren Gehalt mit präziser Sprach- und Personenführung heraus. Den Bezug zur eigenen Zeit und Befindlichkeit sollte und konnte das Publikum so, von der Regie klug geleitet, selbst herstellen.
«Aus seinen Augen zwinkerte oft ein spitzbübischer Schalk, in seiner Gegenwart langweilte man sich nie.»
Noch in fortgeschrittenem Alter liess sich Hollmann auf Experimente ein. So spielte er etwa 2018 eine Hauptrolle in Dany Levis Luzerner «Tatort»-Folge «Die Musik stirbt zuletzt», die im KKL nach intensiven Proben in einer einzigen, 90 Minuten dauernden Kameraeinstellung gedreht wurde. Das hatte ihm grossen Spass gemacht und bezeugte seine schauspielerische Begabung.
Privat war Hans Hollmann ein äusserst charmanter und stilbewusster, ein blitzgescheiter, mit viel österreichischem Esprit gesegneter und bis zuletzt aktiver Mensch. Aus seinen Augen zwinkerte oft ein spitzbübischer Schalk, in seiner Gegenwart langweilte man sich nie. Verheiratet war er mit der Schauspielerin und Autorin Reinhild Solf («Schattenfrauen», «Huhn Trudchen»), mit der ihn über Jahrzehnte eine gemeinsame Arbeits- und Lebensenergie, aber auch die Kunst der Gastfreundschaft verband. Kurz nach ihrem Tod vor wenigen Wochen ist Hans Hollmann ihr nun am 26. Juni im Alter von 89 Jahren gefolgt.
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Nachruf auf Hans Hollmann – In seiner Gegenwart langweilte man sich nie
Theaterdirektor Werner Düggelin holte den gebürtigen Österreicher nach Basel. Hollmann trat seine Nachfolge an und sorgte von 1975 bis 1978 im Theater Basel für Entdeckungen, aber auch Aufregung.