In die Umwelt geschleudert
Waschmaschinen spülen erhebliche Mengen Mikroplastik in die Natur. Vor allem Fleece-Stoffe geben die Teilchen ab. Das Problem liesse sich lösen.

Ob Wäsche «nicht nur sauber, sondern rein» wird, ist manchmal zweitrangig. Stefan Brandt von der Hochschule Niederrhein in Krefeld interessiert das zum Beispiel weniger. Zwar schmeisst sein Forscherteam eine Waschmaschinenladung nach der anderen an, doch in den Trommeln rotieren saubere, fabrikneue Kleider, vor allem solche aus Polyester-Fleece. «Wir wollen herausfinden, wie viele Plastikpartikel sich unter welchen Bedingungen aus welchen Kleidungsstücken lösen», sagt Brandt. Polyester ist der häufigste Kunststoff für Textilien – und Fleece gilt als besonders reiche Quelle für Mikroplastik, also Teilchen mit einem Durchmesser von weniger als fünf Millimetern.
Die Waschtests sind Teil des Projekts «Textile Mission», an dem unterem anderem auch die TU Dresden, ein Waschmaschinen-, zwei Sportartikelhersteller und die Umweltschutzorganisation WWF beteiligt sind. Brandts Team testet Stoffe aus konventionellen und recycelten Synthesefasern, fängt die Faserreste mit fünf Filtern unterschiedlicher Porengrösse ab und analysiert die Rückstände. «Ausserdem geht es uns darum, die Mikroplastik-Einträge aus Textilien durch eine optimierte Faserauswahl und neue Textilkonstruktionen zu verringern und entsprechende Lösungsmöglichkeiten zu testen», sagt Projekt-leiterin Maike Rabe, die das Projekt gemeinsam mit einer Kollegin leitet.
Die Einträge komplett zu verhindern, sei unrealistisch. Schliesslich lässt sich Mikroplastik nicht einfach verbieten wie Einwegplastiksäcke oder Strohhalme. Für einen Umstieg auf Kleidung aus Naturfasern fehlen schlicht die Anbauflächen. «Sie sind schon jetzt knapp, obwohl nur noch 20 Prozent der weltweit produzierten Textilien aus Baumwolle gefertigt werden», sagt Rabe. Synthetikfasern hätten Eigenschaften, die bei Naturfasern nur mit komplizierten chemischen Ausrüstungen erreicht werden könnten, und seien strapazierfähiger.
Fahrbahnmarkierungen und Kunstrasen
Jährlich landen Schätzungen der Weltnaturschutzorganisation IUCN zufolge zwischen 2und 5 Millionen Tonnen Mikroplastik in der Umwelt. Auf Äckern, in Flüssen, Seen, Meeren und im Packeis der Antarktis wurden die Partikel schon entdeckt. Auch in vielen Lebewesen, von der Muschel bis zum Menschen. In Deutschland tragen einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen zufolge Waschmaschinen mit etwa 90 Gramm pro Person und Jahr erheblich zu den Emissionen bei – Platz 10 von 51 untersuchten Quellen.
Noch mehr Partikel werden unter anderem aus Kunstrasenplätzen, Fahrbahnmarkierungen, bei der Abfallentsorgung und durch Reifenabrieb freigesetzt, der das Ranking mit einem Jahresbeitrag von mehr als 1200 Gramm pro Person anführt. Die meisten Plastikteilchen aus Waschmaschinen, nämlich mehr als 98 Prozent, werden zwar in Kläranlagen aufgehalten, in absoluten Zahlen bleibt dennoch eine grosse Menge. So entlässt eine Anlage in Schottland jeden Tag etwa 65 Millionen Teilchen in natürliche Gewässer, wie 2016 im Fachblatt «Environmental Science and Technology» zu lesen war. Und der Filtereffekt ist obsolet, wenn der mikroplastikhaltige Klärschlamm als Dünger auf Feldern verteilt wird.
Noch ist unklar, ob die Faserreste Mensch und Tier schaden. Kunststoffe sind sehr reaktionsträge, könnten aber schädliche Zusatzstoffe enthalten oder krank machende Substanzen anlagern. Ökotoxikologische Untersuchungen haben zwar, vor allem bei hohen Konzentrationen, Effekte gefunden, doch Studien zur Risikobewertung geben für die nächsten Jahrzehnte im Wesentlichen Entwarnung.
«In Europa ist Mikroplastik wahrscheinlich kein Problem. In Asien findet man mancherorts leichte Schwellenwertüberschreitungen. Dort gibt es also eine sehr kleine Wahrscheinlichkeit für Effekte», sagt Bernd Nowack vom Schweizer Forschungsinstitut Empa, der kürzlich in der Zeitschrift «Environmental Toxicology and Chemistry» eine Risikostudie zu Mikroplastik in Oberflächengewässern veröffentlicht hat. Von Umweltwissenschaftlern bekomme er mitunter zu hören, er solle sich besser um Substanzen mit bekannter Giftwirkung kümmern. «Das Thema Mikroplastik ist aber gesellschaftlich relevant», sagt Nowack.
Endreinigung der Stoffe und Kleidung verbessern
Derweil könnten Textilhersteller einiges tun, um den Mikroplastik-Ausstoss zu bremsen. «Ich weiss nicht, ob Sie schon einmal in einer Spinnerei oder Strickerei waren, aber da fliegt oft überall Material in der Luft herum, das sich in den Textilien verfangen kann», sagt Stefan Brandt. Fabriken mit effizienten Absauganlagen seien in Deutschland zwar Standard, global aber die Ausnahme. Auch die Endreinigung der Stoffe und Kleidung müsste verbessert werden. Viele der Partikel aus der Waschmaschine sind nämlich noch Rückstände von der Produktion.
Langfristig sollten bioabbaubare Fasern zum Einsatz kommen, sagt Brandt. Hier müsse aber ein guter Kompromiss erst noch gefunden werden. Je leichter Fasern von Mikroorganismen in der Natur zersetzt werden können, desto schlechter schneiden sie in Sachen Langlebigkeit und Strapazierfähigkeit ab.
«Die Waschmaschine sollte immer voll beladen werden.»
Welchen Beitrag Mikropartikelfilter für Waschmaschinen leisten können, ist fraglich. «Wir waschen hier fabrikneue Kleidung und müssen unsere Filter während einer Wäsche mehrfach wechseln, weil sie einfach zu schnell verstopfen», sagt Stefan Brandt.
Bei Filtern mit grösseren Poren würde dies zwar nicht so häufig vorkommen, aber sie lassen auch viel mehr Teilchen durch. Das Team vom Fraunhofer-Institut arbeitet deshalb an Filtern, die selektiv nur Plastikfasern abfangen sollen. Das könnte gelingen, weil diese länger sind als die meisten Dreckteilchen.
Die Waschmaschine immer voll beladen
Helfen sollen auch feinporige Waschnetze wie der «Guppyfriend», den ein Berliner Start-up anbietet. «In unseren Tests hat er nur eine geringe Menge Fasern zurückgehalten», sagt Brandt. Und das Ganze sei nur dann sinnvoll, wenn der Faserfang in den Hausmüll und nicht etwa ins Waschbecken oder Klo entsorgt wird.
Als Mikropartikelfänger wird auch der «Coraball» beworben, eine quietschbunte Kugel aus Kunststoffösen. Wahrscheinlich zu Unrecht, wie erste Versuche an der Hochschule Niederrhein und auch an der Schweizer Empa gezeigt haben. Die Faserteilchen sind offenbar zu kurz, um in den Ösen hängen zu bleiben.
Einen Tipp für alle, die textiles Mikroplastik vermeiden wollen, hat Brandt dann aber doch parat. «Die Waschmaschine sollte immer voll beladen werden. Das spart nicht nur Waschmittel, Strom und Wasser, sondern reduziert auch die Partikelmenge schon erheblich», sagt der deutsche Ingenieur.
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