«In der Romandie ist Basisarbeit nötig»
Albert Rösti sagt, wie er die SVP in der Westschweiz auf Kurs bringen will und warum am 21. Mai ein Sieg möglich ist.

BaZ: Herr Rösti, die SVP verlor wichtige Abstimmungen und kantonale Wahlen. Jetzt haben Sie die Basis schon fast verzweifelt dazu aufgerufen, Gegensteuer zu geben. Was ist los?Albert Rösti:Die Wahlresultate alarmieren mich. Ich habe erwartet, dass nach der Nicht-Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative (MEI) durch Parlament und Bundesrat, ein Ruck durchs Land geht. Jetzt macht sich eher Resignation breit. Allerdings gilt es die Relationen zu wahren: Wenn die SVP im Aargau ihren Wähleranteil von über 30 Prozent gehalten hat, dann werte ich das als Erfolg, zumal wir dort gleichzeitig einen Regierungssitz machten. Im Kanton Solothurn haben wir leicht verloren, in Freiburg Wähleranteil und im Wallis Parlamentssitze dazu gewonnen. Im Vergleich zu anderen bürgerlichen Parteien sind wir insgesamt recht stabil.
Im Wallis hat die SVP einen Regierungssitz verloren und in Neuenburg die Hälfte der Parlamentssitze. In Neuenburg gilt in den Wahlkreisen ein zehn-Prozent-Quorum für einen Parlamentssitz. Wenn man das bedenkt, sieht die Situation nicht so dramatisch aus. Aber ich will die Verluste nicht schön reden. Der Grund dafür sind innerparteiliche Querelen. Die Wähler goutieren es nicht, wenn man die eigene Person ins Zentrum stellt statt die Partei, das Land und die Interessen der Wähler. Im Wallis war die Wahlstrategie falsch. Das hat Oskar Freysinger selbst eingeräumt.
Trotzdem: Ist die erfolgsverwöhnte SVP faul geworden? Das will ich nicht bestreiten. Es ist offenbar nicht mehr allen bewusst, dass jede Wahl und jede Abstimmung neu gewonnen werden muss. Dass es möglich ist, zeigen die Aargauer Wahlen: Wir legen dort zu, wo man mehr plakatiert, wo es viele gute und aktive Kandidaten gibt. Das zeigt, dass unser Programm stimmt.
Am 30. April finden Wahlen im Kanton Waadt statt – was ist Ihre Prognose? Dort ist die SVP gut verankert, ich erwarte also, dass wir unseren Wähleranteil mehr oder weniger halten können. Auch in Lausanne gab es leider innerparteiliche Streitereien (Vizepräsident Claude-Alain Voiblet und Pierre Oberson wurden aus der Partei ausgeschlossen, weil sie Wahlplakate der SVP-Ständeratskandidaten mit eigenen Plakaten überklebt hatten, Anm. d. Red.). Die Wähler haben dafür kein Verständnis.
Und bei der Regierungsratswahl? Da ist die Frage, ob die FDP Wort hält und unseren Kandidaten wählt.
Weshalb hat es die SVP in der Romandie eher schwer? Aktuell haben wir in der Bundeshausfraktion elf Romands. Vor 20 Jahren waren es erst zwei. Das zeigt, dass wir auch in der Westschweiz wachsen, wenn auch langsam. Die traditionelle SVP ist in den Kantonen Zürich und Bern entstanden. Deshalb haben wir in der Westschweiz auch noch weniger Aushängeschilder als in der deutschen Schweiz.
Der Parmelin-Effekt spielt nicht. Diesen Begriff habe nicht ich geprägt. Ein Bundesrat ist sicher gut fürs Image. Auch macht Guy Parmelin gute Arbeit. Den Wähleranteil beeinflusst er aber nicht unmittelbar. Nein, in der Romandie müssen wir Basisarbeit leisten, Sektionen gründen und aufbauen. Ich kann zwar keine Wunder vollbringen, aber ich traue mir zu, mit meinen Kontakten in die Romandie, dort die Motivation hinzubekommen.
Muss die SVP ihr Programm in der Romandie anpassen? Das wäre grundfalsch. Themen wie Unabhängigkeit gegenüber der EU, Migration, Arbeitsplatzverlust oder zunehmende Steuerbelastung beschäftigt die Menschen überall. Nur weil wir unsere SVP-Linie nicht überall konsequent genug durchgezogen haben, gibt es in Genf den Mouvement Citoyen Genevois oder die Lega im Tessin.
Sie sind seit einem Jahr SVP-Präsident, was hat Sie am meisten überrascht? Die SVP ist schnell gewachsen. Dass die Strukturen an der Basis nicht überall mithalten konnten, wusste ich zwar im Vorfeld. Das Ausmass, namentlich in der Westschweiz, hat mich dann aber doch überrascht. Zum Beispiel Neuenburg: Man hatte dort Erfolg, allerdings war dieser stark an die Person des Kantonalpräsidenten Yvan Perrin geknüpft. Als er aus gesundheitlichen Gründen ausfiel, gab es eine Lücke und Streitigkeiten. Ähnlich in Solothurn, wo der Präsident wenige Tage vor der Delegiertenversammlung nach interner Kritik das Handtuch wirft. Hier aufzuholen ist eine der grössten Herausforderungen. Denn zum Schluss zählt, ob es an der Basis funktioniert, ob wir Leute haben, die Plakate stellen, bei Aktionen mitmachen, engagiert sind. Das hinzubekomnen, ist schwierig. Wir sind ja kein Unternehmen, wo man einfach befehlen kann. Wir müssen motivieren. Letztlich ist es aber auch eine Ressourcenfrage. Die SVP hat fast im Drei-Monatsrhytmus eine wichtige Abstimmung.
Sind Sie nun öfter in der Romandie ? Ich versuche es zumindest. In meinem ersten Jahr als Parteipräsident waren so viele Abstimmungen, dass die Basisarbeit etwas gelitten hat. Aber es ist klar mein Ziel, öfter an der Basis zu sein.
Wie kommen Sie dort als Deutschschweizer an? Ich kann sagen, dass ich mich mit der Romandie verbunden fühle. Ankommen muss nicht ich, sondern unsere Politik. Das werden die Romands bei Wahlen beurteilen.
Welche Ziele haben Sie für die SVP? Im Vordergrund steht die Umsetzung unserer Wahlziele, Unabhängigkeit gegenüber der EU, strikte Migrationspolitik sowie tiefe Steuern und Abganen. Ich durfte die Partei in einem guten Zustand, mit einem Wähleranteil von fast 30 Prozent übernehmen. Neben der Arbeit an der Basis, um die inhaltlichen Ziele zu erreichen, ist es eine grosse Herausforderung, dieses Niveau zu halten. Kritiker warfen mir zwar vor, dies sei kein besonders ambitioniertes Ziel. Was die SVP 2015 erreichte, ist allerdings einzigartig seit der Einführung des Proporzwahlsystems in der Schweiz.
Eine weitere Herausforderung ist die Abstimmungen vom 21. Mai zur Energiestrategie – wie lautet Ihre Prognose? Ich bin derzeit fast jeden Abend an einem Podium und stelle fest, dass man die Leute mit Argumenten wie den zu hohen Kosten und der fehlenden Versorgungssicherheit überzeugen kann. Es gibt eine Bewegung in Richtung Nein-Lager, und wir haben ein gutes überparteiliches Komitee in dem auch Wirtschaftsverbände wie Swissmem, Science Industry, die Baumeister, Gastrosuisse und viele mehr mitmachen. Diese Abstimmung ist zu gewinnen. Die Frage ist, ob die verbleibende Zeit dafür reicht. Nach der vierjährigen Pro-Energiewende-Propaganda des Bundesamtes für Energie ist die Herausforderung gross.
Wie gross ist der Frust, dass Economiesuisse nicht mitmacht? Es ist ein Armutszeugnis, dass der Wirtschaftsdachverband, bei einem Geschäft dieser Tragweite, keine Position hat. Wie es aussieht, kam der Entscheid zustande, weil sich die Dienstleistungsunternehmen durchgesetzt haben. Sie wollen sich ein grünes Mäntelchen umhängen. Sie meinen, nicht unmittelbar von den Konsequenzen eines Ja zur Energiestrategie betroffen zu sein, was ein Trugschluss ist. Dass die Dienstleister die Industrie in dieser Frage nicht unterstützten, schwächt den Verband. Für den Abstimmungsausgang ist die Enthaltung von Economiesuisse aber nicht matchentscheidend.
Treten Sie zurück, wenn die SVP die Abstimmung verliert? Nein. Natürlich will ich diese Abstimmung gewinnen und natürlich trage ich Mitverantwortung, aber das Komitee ist ja überparteilich. Immerhin haben nur wir dazu beigetragen, dass sich die Bevölkerung zu dieser wichtigen Frage überhaupt äussern kann. Für die Partei ist aber die früher oder später kommende Abstimmung zum institutionellen Rahmenabkommen mit der EU nochmals eine ganz andere Dimension. Ein falscher Entscheid in einer innenpolitischen Abstimmung lässt sich später korrigieren. Wenn wir die Abstimmung zum Rahmenabkommen verlieren, dann verlieren wir unsere Unabhängigkeit und wesentliche Teile der direkten Demokratie. Diese Abstimmung ist deshalb wichtiger als jene zum EWR 1992.
Wo ist Ihre Schmerzgrenze? Eine Messlatte sind sicher die Wahlen 2019. Dann zeigt sich, ob ich meine Aufgabe so gemacht habe, dass ich weiter getragen werde. Allerdings können auch Ereignisse ausserhalb der Partei kurz vor den Wahlen das Ergebnis beeinflussen. Ziel der Parteileitung ist es, die Partei bis 2019 so konsolidiert zu haben, dass wir die aktuelle Wählerstärke mindestens halten können.
Laut dem Forschungsinstitut GFS hat die SVP über ein Prozent Wähleranteil verloren. Davon lasse ich mich nicht beirren. Zumal nur schon die Fehlerquote solcher Statistiken bei zwei bis drei Prozent liegt. Uns wurden schon Verluste von zehn Prozent vorausgesagt. Man muss unabhängig von Umfragen tun, was man für richtig hält.
Die SVP hat nun zwei Bundesräte und seit den letzten Wahlen 11 Sitze mehr im Bundesparlament. Spürbar ist das nicht. Wir verfolgen unseren bürgerlichen Kurs konsequent, stellen aber mit Ärger fest, dass wir in abwechselnder Reihenfolge bürgerliche Partner haben, die mit Links stimmen. Das gilt für Parlament und Bundesrat. Dort muss es mindestens FDP-Bundesrat Didier Burkhalter sein, der oft linke Anliegen unterstützt.
Wo war dies der Fall? Etwa beim Antrag ans Parlament 100 Millionen Franken an die Kinderbetreuung zu zahlen, was eigentlich Kantonsaufgabe ist, zumal der Familienartikel an der Urne abgelehnt worden war. Oder dass der Bundesrat die Schuldenbremse in Frage stellt. Dann forciert Bundesrat Burkhalter das institutionelle Rahmenabkommen mit der EU massiv. Unsere zwei Bundesräte wehren sich sicher gegen solche Unterfangen, davon bin ich überzeugt. Und im Parlament stimmte die FDP bei der Umsetzung MEI mit der SP. Bei der AHV-Revision war es die CVP, und das obwohl es ein zentral bürgerliches Anliegen ist, nur so viel auszugeben, wie man einnimmt.
Was sagen Sie zum Entscheid des Bundesrats, auf einen Gegenvorschlag zur Rasa-Initiative zu verzichten? Dies, sowie der Beschluss, dem Parlament die Rasa-Initiative zur Ablehnung zu empfehlen, entspricht der Forderung der SVP. Eine Annahme der Initiative bedeutet nämlich die Fortsetzung der unbegrenzten Masseneinwanderung. Gleiches wäre bei den vom Bundesrat in Erwägung gezogenen Gegenvorschlägen der Fall gewesen. Eine Ablehnung bestätigt hingegen die notwendige Beschränkung der Masseneinwanderung.
Weshalb gibt es den bürgerlichen Schulterschluss im Parlament nicht? Die aktuellen Präsidenten haben sich nur darauf geeinigt, dort zusammen zu arbeiten, wo dies nach ihren Programmen möglich ist. Aber es gibt Dinge, bei denen mir das Verständnis schon fehlt. Etwa, dass FDP und CVP jetzt darüber lamentieren, dass über 50-Jährige keine Stelle finden und bei der Umsetzung derMEI nicht bereit waren, einen Inländervorrang umzusetzen, der den Namen verdient. Obschon es dafür genug Vorschläge auf dem Tisch gab.
Die Präsidenten von FDP und CVP sagen: Wir schauen zuerst, wo unsere Position ist, und dann, wo die Mehrheiten sind. Im Wahlkampf sagen FDP und CVP, sie seien für tiefere Steuern und Abgaben und bei der Energiestrategie sagten die Parteien dann trotzdem Ja. Oder man sagt, man wolle nicht in die EU und stimmt dann bei den Legislaturzielen dem institutionellen Rahmenabkommen zu. Diese Haltung ist für mich unverständlich.
Vor gut einem Jahr sagten Sie, Sie müssten lernen das, was andere über Sie sagen, nicht so wichtig zu nehmen. Haben Sie Fortschritte gemacht? (Lacht) Ja, sonst könnte ich diese Funktion nicht ausüben. Toni Brunner hat das einmal gut gesagt: Wenn man mit Dreck beworfen wird, dann sollte man ihn auf dem Rücken antrocknen lassen, das gibt einen guten Panzer. Im Ernst: Die Arbeit als Parteipräsident ist enorm spannend aber es ist schon so, das braucht Kräfte. Über diese verfüge ich, auch dank sehr guter Unterstützung innerhalb der Parteileitung.
Ihr Vorgänger Toni Brunner wirkte stets leichtfüssig – wie gross sind seine Fussstapfen? Ich bin ein ganz anderer Typ, ich habe zwar auch viel Humor, vielleicht aber nicht ganz auf seinem Level (lacht). Toni Brunner vereinfachte mir den Amtsantritt insofern, als dass er sich einen Moment komplett zurück gezogen hat. Fast mehr Respekt hatte ich vor dem Erfolg der SVP. Ihn zu erreichen ist das eine, ihn zu halten etwas ganz anderes.
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