Kälteste Stadt der WeltIn Jakutsk ist es jetzt minus 50 Grad
Die Menschen in Sibirien erleben zurzeit trotz Erderwärmung eine ausgeprägte Kälteperiode. Wie gehen sie damit um? Eindrücke aus einem extrem eisigen Ort.
Die Schweiz erlebt diese Woche einen Kälteeinbruch nach zwischenzeitlich frühlingshaften Wintertagen. Die Temperaturen in der kältesten Stadt der Welt bewegen sich dagegen bereits ungewöhnlich lange im tiefsten Minusbereich, wie die Nachrichtenagentur Reuters meldet. Auch diese Woche liegen sie im ostsibirischen Jakutsk laut Vorhersagen immer zwischen minus 40 Grad und minus 56 Grad.
Was heisst das für die Bewohner? «Man kann nicht gegen die Kälte ankämpfen», sagt ein mit zwei Schals und mehreren Lagen Handschuhen, Mützen und Kapuzen bekleideter Bewohner. «Entweder du passt dich an und ziehst dich entsprechend an, oder du leidest.»
Eine Marktfrau empfiehlt, sich in Schichten anzuziehen, «wie ein Kohl». Immerhin würden die Kunden mit ihren Bestellungen sie etwas warm halten, sagt eine Fischverkäuferin. Für alle, die nicht warm genug angezogen sind, besteht das Risiko, sich schon nach wenigen Minuten im Freien Erfrierungen zuzuziehen.


Das gilt auch für Automotoren. Deshalb tuckern sie manchmal ohne Unterlass vor sich hin. Frieren sie in der sibirischen Kälte ein, war es das bis zum Frühling. Der Winter dauert in Jakutsk von Oktober bis Mai. Die kältesten Monate sind Dezember und Januar. Dann sind Temperaturen um minus 40 Grad die Regel. Kleine Kinder haben ab minus 45 Grad schulfrei. Noch frostiger ist es in den zwei Tagesreisen entfernten Dörfern Oimjakon oder Werchojansk. Sie gelten als die kältesten bewohnten Orte der Erde: 60 Grad unter null sind hier keine Seltenheit.
Wenn der Permafrost auftaut
Trotz der unwirtlichen Bedingungen ist die Einwohnerzahl von Jakutsk in den letzten Jahren stark gestiegen. Derzeit sollen rund 350’000 Menschen hier leben – 80’000 mehr als noch 2010. Das hat einen einfachen Grund: Sie sitzen auf einem gigantischen Berg von Bodenschätzen, eingefroren im ewigen Eis. Die ostsibirische Teilrepublik Sacha (Jakutien) ist fast so gross wie Indien und reich an Erdgas, Erdöl, Kohle und Diamanten.

Jakutsk ist eine von zwei Grossstädten weltweit, die in Permafrostgebieten liegen, also auf ständig gefrorenem Boden, der nur im Sommer ein bis zwei Meter auftaut. Die andere Stadt, ebenfalls in Russland, ist Norilsk. Sie wurde gebaut von Strafgefangenen aus dem Gulag.
Der Klimawandel macht sich aber auch in Ostsibirien bemerkbar. Die Durchschnittstemperaturen in der Region sind allein im letzten Jahrzehnt um 2,5 Grad Celsius gestiegen. Dadurch taut der Permafrostboden stärker auf, sodass die auf Pfählen gebauten Gebäude in Jakutsk einsinken. An manchen Häusern haben sich Risse in den Wänden gebildet. Einwohner machen sich Sorgen um die Stabilität.

Sibirien ist für seine extrem kalten Winter berühmt. Doch die Menschen in Jakutien haben eine ziemlich vielseitige Garderobe. Im Sommer kann es hier über 30 Grad werden, die Juli-Temperaturen von Jakutsk sind vergleichbar mit denen der Schweizer Städte. Auch Waldbrände sind in diesem Teil der Welt in den Sommermonaten keine Seltenheit. Ein Grossteil der Umgebung von Jakutsk besteht aus dichtem Taigawald, der sich leicht entzündet, wenn es heiss und trocken ist. Während der Hitzewellen der vergangenen Jahre führten die Waldbrände zu teils massiver Luftverschmutzung in Jakutsk.

Derzeit ist es in der Stadt aber eisig kalt. Das wird viele Menschen heute Morgen nicht daran gehindert haben, in ein Eisloch zu springen und ein Bad im Fluss Lena zu nehmen. Am Dreikönigstag mit dem Fest der Epiphanie, der in Russland auf den 19. Januar fällt, feiern die Gläubigen die Taufe von Jesus Christus im Jordan. Das von den Priestern zuvor gesegnete Wasser gilt bis zum nächsten Jahr als heilig und reinigend.

red
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