Lehrer starten AbstimmungskampfIn den Basler Kleinklassen sollen höchstens zehn Schüler erlaubt sein
Die Lehrergewerkschaft sagt, wie sie sich ihre Förderklassen-Initiative vorstellt. Jetzt steigt der Druck auf das Erziehungsdepartement.

Seit Jahren drückt der Schuh. Doch das Klagen über die negativen Auswirkungen der integrativen Schule und die Aufhebung der Kleinklassen in Basel hat nichts gebracht. Deshalb haben die Lehrerinnen und Lehrer beschlossen, politisch Druck aufzusetzen. Mit der sogenannten Förderklassen-Initiative fordert ein Komitee, bestehend unter anderem aus der Freiwilligen Schulsynode (FSS), die Wiedereinführung von kleinen Schulklassen an der Volksschule.
Die FSS hat am Dienstag die Medien eingeladen, um stellvertretend für die rund 4000 Lehrerinnen und Lehrer in Basel-Stadt ihre Vorstellung des Förderklassensystems zu präsentieren. FSS-Präsident Jean-Michel Héritier betonte dabei, dass es keine Rückkehr zu den Kleinklassen sei, welche vor rund 15 Jahren in Basel-Stadt abgeschafft worden sind. Die angestrebten Förderklassen seien im Gegensatz dazu durchlässig.
Die FSS sieht vor, dass eine maximale Aufenthaltsdauer definiert wird, beispielsweise zwei Jahre. Danach sollen die Kinder wieder in die Regelklasse integriert werden. «Wir wollen verhindern, dass es die Kleinklassen-Karrieren gibt, die es früher gab», sagt Héritier. Vermeiden will man das Stigma, das mit diesen «Karrieren» verbunden war.
Heilpädagogen könnten eigene Klassen führen
Der FSS schwebt vor, dass an jedem grösseren Volksschulstandort mindestens eine Förderklasse eingerichtet wird. Kleinere Schulen könnten zusammenspannen und an einem Standort eine Kleinklasse für die Primarschuljahre 1 bis 3 einrichten, am anderen eine für die Klassen 4 bis 6. Als Eckwert sieht die Lehrergewerkschaft ein Maximum von zehn Schülerinnen und Schülern pro Förderklasse vor.
Die Klassen würden grundsätzlich in einer Doppelbesetzung geführt – vorzugsweise mit einem Heilpädagogen oder einer Heilpädagogin. FSS-Vizepräsidentin Marianne Schwegler sagt, dadurch würde auch der Job der Heilpädagogen aufgewertet. «Sie würden gestärkt. Heute höre ich oft, dass sie unzufrieden sind, weil sie von Lektion zu Lektion die Klasse wechseln müssen.»
Auf die Frage, ob die Forderung nach noch mehr Schulklassen angesichts des Lehrermangels überhaupt realistisch sei, meint Héritier: «Es werden viele Lehrerinnen und Lehrer ausgebildet. Es muss nun gelingen, diese dank guter Rahmenbedingungen im Beruf zu behalten.»
In erster Linie geht es um die Störenfriede
Zu den Kriterien für den Eintritt in die Förderklasse schreibt die FSS in ihrem Positionspapier nur, diese müssten «festgelegt» werden. Im Initiativtext heisst es, Förderklassen sollten für die Schülerinnen und Schüler etabliert werden, die kleinere Lerngruppen benötigten, oder solche, die wegen ihres auffälligen Verhaltens nicht in eine Regelklasse integriert werden könnten.
Ein weites Feld, das die Lehrergewerkschaft auch an der Pressekonferenz nicht einzuengen vermochte. Klar ist, dass es den Lehrerinnen und Lehrern vor allem um die Störenfriede geht – weit mehr als um Schüler mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen, wo die Integration in vielen Fällen gut verläuft. Den Ball spielt man aber hier in Richtung Erziehungsdepartement (ED).
Einigung würde Sache beschleunigen
Auf die konkreten Forderungen der FSS will das ED nicht eingehen. Sprecher Simon Thiriet aber betont: «Wir möchten an der integrativen Schule festhalten, sie ist wichtig. Wir stehen aber an einem Punkt, wo das System an seine Grenzen stösst. Deshalb braucht es Anpassungen.» Ein Gegenvorschlag zur FSS-Initiative sei in Ausarbeitung, müsse aber vom Regierungsrat beschlossen werden.
Es klingt nach einer Annäherung, zumal auch die FSS nicht von einer Abkehr von der integrativen Schule sprechen will, sondern im Gegenteil von einer Stärkung durch die neuen Förderklassen. Héritier jedenfalls sagt: «Wenn der Gegenvorschlag passt, kann man die Initiative zurückziehen.» Der Vorteil wäre, dass die neuen Förderklassen dann bereits 2024 eingeführt werden könnten. Müsste das Volk abstimmen, wäre es frühestens ein Jahr später.
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