Streit um Corona-RegelnImpfskeptiker verzichtet auf politisches Spitzenamt
Der SVP-Politiker Christian Neff will sich überraschend nicht zum höchsten Stadt-St.-Galler wählen lassen. Vorangegangen war eine Kontroverse um seinen Impfstatus.

Er hätte das neue Jahr als «höchster St. Galler» verbringen können, als viel beschäftigter Repräsentant der Stadt und Präsident des städtischen Parlaments. Aber nur Tage vor der Wahl hat Christian Neff jetzt alle seine politischen Ämter niedergelegt.
Der Schritt kam für seine Partei, die anderen Ratsmitglieder und seine Wählerschaft aus heiterem Himmel. Denn die Kontroverse um seine Weigerung, sich gegen Corona impfen zu lassen, schien längst überstanden zu sein. Die Mehrheit des Stadtparlaments hätte ihn am 11. Januar unabhängig von seinem Impfstatus ins höchste Amt gewählt.
Neff begründet in einem Rücktrittsschreiben seinen Totalrückzug etwas gewunden: Er sei enttäuscht, dass es im Parlament Kolleginnen und Kollegen gebe, für die es zentral sei, wie häufig er als Präsident werde Einladungen folgen können. Mit keinem Wort aber werde hinterfragt, welche politische Vision der Stadt St. Gallen in den kommenden Jahren guttäte.
Die Begründung bezieht sich auf die Aufregung, die Neff mit seinem Impfstatus ausgelöst hatte. Im November hatte der designierte Parlamentspräsident dem «St. Galler Tagblatt» bestätigt: «Ich bin nicht geimpft.» Der 47-jährige Bankfachmann gab dafür keine Gründe an. Aber er sagte, er werde «das Amt gerne und mit Demut bekleiden». Falls nötig, werde er sich testen lassen. Im Übrigen glaube er «an die Selbstverantwortung erwachsener Menschen».
«Verständnis hält sich in Grenzen»
Damals war die verschärfte 2-G-Zutrittsregel in der Schweiz noch kein Thema. Auch als bloss Getesteter hätte Neff öffentliche Auftritte absolvieren können. Seine Vorgängerinnen und Vorgänger kamen auf rund 200 Einladungen, bei denen sie im Präsidialjahr die Stadt St. Gallen repräsentierten.
Die Reaktionen im Stadtparlament auf Neffs Impfstatus waren gemischt. «Mein Verständnis hält sich in Grenzen», sagte der Fraktionspräsident der Grünen. Einzelne befürchteten, Neff werde seine Repräsentationspflichten nicht wahrnehmen können.
Die Mehrheit aber akzeptierte Neffs Haltung als dessen «freie Entscheidung», eine Impfpflicht gebe es nicht. Eine Ratskollegin aus der SP berichtete, Neff verhalte sich «ausgesprochen vorsichtig». Maskenpflicht und Distanzregeln beachte er genau.

Seit November haben sich nun jedoch zwei Dinge geändert: An öffentlichen Veranstaltungen, an denen Christian Neff als Parlamentspräsident hätte teilnehmen sollen, gilt jetzt weitgehend 2-G. Und, noch wichtiger: Neff hat die Krankheit selbst durchgemacht.
Im Dezember bestätigte Neff in einem Interview mit den «St. Galler Nachrichten», dass er an Corona erkrankt sei. Und das «St. Galler Tagblatt» berichtete, «dem Vernehmen nach» habe Neff deswegen sogar hospitalisiert werden müssen. Neff beschwichtigte: «Ich gehe davon aus, dass ich schon vor Weihnachten wieder komplett fit bin.»
Neff wollte am Montag auf Anfragen dieser Redaktion nicht weiter Stellung nehmen: «Aus Rücksicht auf meine Nachfolgerin oder meinen Nachfolger».
Keine Retourkutsche gegen die SVP
Neff ist Mitinhaber einer Beratungsfirma für Onlinelösungen bei Finanzunternehmen. Zehn Jahre lang politisierte er im St. Galler Stadtparlament. Im Mittelpunkt seiner Politik standen die städtischen Finanzen und die Digitalisierung. Nebenher verfasste er zu denselben Themen Gastbeiträge für das lokale Portal «Die Ostschweiz». Das Thema Corona spielte dabei nie eine Rolle.
Als Genesener hätte Neff nun auch unter dem 2-G-Regime problemlos Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen. Umso überraschender kam dann nur Tage später die Ankündigung seines Rückzugs aus der Politik.
Somit bleibt der Totalrückzug des SVP-Politikers letztlich ein Rätsel. Die übrigen Parteien wollen den Eklat jedenfalls nicht für politische Machtmanöver nutzen: Sie kündigten an, der Anspruch der SVP auf das Ratspräsidium sei unbestritten. Die SVP schlägt als Ersatz für Neff dessen bisherigen Rats- und Fraktionskollegen Jürg Brunner vor.
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