
In einem Moment der Stärke und des Selbstvertrauens (vor ihm liegt, passend, eine Wildschweinschulter), da spricht Baschi Dürr über die grossen Linien des Liberalismus, die ihn faszinieren – und auch über die Linie bei der Führung seines Departements für Justiz und Sicherheit; die, so global gesehen, sicher bedeutend unwichtiger ist, den Baslern dafür bedeutend auf die Nerven geht. Und ihm die Diskussionen eben darüber, vor allem jene über 1.-Mai-Demonstrationen.
Also fragt Baschi Dürr angesäuert: «Müssen wir immer nur darüber reden?»
An diesem Tag im Herbst 2020 muss er noch, schliesslich ist Regierungsratswahlkampf. Bald danach dafür nicht mehr, da nicht mehr in der Exekutive, zu seinem Bedauern (und zu jenem vieler Bürger merkwürdigerweise auf einmal auch).
Und jetzt, anderthalb Jahre später, ist Dürr zwar nicht mehr Regierungsrat, aber an diesem Sonntagabend neuerlich ein Wortführer, da es einmal mehr um die offensichtlich unvermeidlichen Aufräumarbeiten nach einer offensichtlich unvermeidlichen 1.-Mai-Krawallveranstaltung geht. Er moderiert nicht aus dem Spiegelhof die politische Kommunikation, sondern aus einem Studio an der Steinenschanze die mediale.
Spannend wärs ja, wenn der Vorgänger die Fehler seiner Nachfolgerin Stephanie Eymann (pikant: nicht ganz unschuldig an seiner Abwahl) im Sonntagstalk von Telebasel kritisch begleiten muss? Geht das überhaupt?
Es geht, weil Dürr ein wirklich hervorragender Moderator ist. Und es geht, weil Felicitas Lenzinger, ehemalige Strafgerichtspräsidentin und SP-Mitglied, klare Worte an die Veranstalter richtet («Verzettelung», «nicht die Sorgen der Basis», «Potpourri an Themen»). Das schafft sachlichen Mehrwert.
Aber das überzeugt insgesamt nicht. Dass Dürr, der ja zu (missglückten) Polizeieinsätzen durchaus Inputs für eine Debatte hätte liefern können, auf eine solche verzichtet: Das ist schwer verständlich. Es ist schon recht, über die institutionelle Bedeutung des 1. Mai zu sprechen («Folklore?») – aber doch nicht jetzt, da die ganze Stadt seit einer Woche nur über die Krawalle spricht.
Was bleibt, ist der Eindruck, der sich seit Jahren manifestiert hat: Wenn etwas passiert, geben sich JSD-Vorsteher (auch wenn sie ehemalige sind) kurz empört und reuig. Um das Thema danach ganz galant im Orkus verschwinden zu lassen. Zumindest für die nächsten 51 Wochen.
Ist Baschi Dürr noch immer angesäuert?
(Verstehen würden wirs. Beste Grüsse.)
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Telebasel-Talk zum 1. Mai – Immer noch angesäuert? Baschi Dürr schweigt die Krawalle klein
Der ehemalige Regierungsrat ist ein hervorragender Moderator. An diesem Sonntag ist seine Darbietung aber nicht von kampfstarker Wildschweinschulter-Qualität. Eine kleine TV-Kritik.