Im Würgegriff der Hooligans
Rechtsradikale Krawallmacher torpedieren den Wiederaufstieg des einstigen Europacupfinalisten Lokomotive Leipzig. Auch diese Woche wieder.
Der vergangene Mittwoch war ein schwarzer Tag in der Geschichte des 1. FC Lokomotive Leipzig. Einer von vielen, muss man sagen. Im Derby gegen den alten Rivalen BSG Chemie, einem Nachholspiel der viertklassigen Regionalliga Nordost, beschossen sich die verfeindeten Fangruppen gegenseitig mit Feuerwerkskörpern. Unbeeidruckt vom Grossaufgebot der Polizei, die als – vergebliche – Drohgebärde sogar einen Wasserwerfer herangekarrt hatte. 130'000 Zuschauer sahen am TV dabei zu, wie die Hooligans ihre Show abzogen. Der Mitteldeutsche Rundfunk übertrug die Partie live zur Prime Time.
«Dieses Derby hat nur Verlierer. So wird die Arbeit vieler Ehrenämtler und hochmotivierter Mitarbeiter torpediert», sagte Lok-Präsident Thomas Löwe. Den 650 Polizisten und 150 Ordnern gelang es nur mit Mühe, die Krawallmacher an einem Platzsturm zu hindern. «Diesen Leuten, die sich in der zweiten Halbzeit auf der Gegengerade zeigten, ist der Fussball und demnach der Verein offensichtlich vollkommen egal», heisst es in einem Communiqué von Lok. Doch auch die Chemie-Fans benahmen sich komplett daneben: Aus dem Gästeblock wurden Offizielle und sogar Ballkinder mit Raketen beschossen.
Dass unter der Woche immerhin 6381 Fans ins Bruno-Plache-Stadion gekommen waren und es beiden Clubs sportlich endlich wieder einigermassen gut läuft, interessiert derzeit kaum noch. Chemie-Coach Dietmar Demuth, einst Bundesliga-Trainer beim FC St. Pauli, wurde an der Pressekonferenz zu allem Überfluss noch von einem betrunkenen Lok-Fan mit einem Bierbecher beworfen. Der Hinweis von Lok-Trainer Heiko Scholz, dass der Bierbecherwerfer sonst ein ganz lieber Kerl sei, konnte die Situation freilich auch nicht mehr retten.
Der frühere Bundesliga-Profi und Nationalspieler Scholz, seit vielen Jahren rührend um den Wiederaufbau des Clubs bemüht, ist das letzte Relikt der grossen Zeit des 1. FC Lokomotive. Er gehörte zur Equipe, die sich 1987 für das Endspiel des Europacups der Pokalsieger qualifizierte (0:1 gegen Ajax Amsterdam) und auf dem Weg dorthin unter anderem den FC Sion eliminierte. Als Coach seines Stammvereins schaffte er nach dem Abstieg 2014 im vergangenen Jahr die Rückkehr in die Regionalliga und etablierte Lok dort. Man muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass ein Mann mit seinem sportlichen Leistungsausweis nicht ewig in der Viertklassigkeit feststecken möchte.
Ohne zahlungskräftige Sponsoren wird ein weiterer Aufstieg – der in die wirtschaftlich besonders herausfordernde 3. Liga – allerdings kaum zu stellen sein. Und Sponsoren schrecken vor dem Image von Lok zurück. Weil es in der Vergngenheit immer wieder grosse Probleme mit den Anhängern der Blau-Gelben gab. Einer der Tiefpunkte: 2007 etwa überfielen rund 50 vermummte Lok-Fans eine Weihnachtsfeier von Chemie-Supportern, es gab mehrere Schwerverletzte.
Die Terrains sind im Leipziger Fussball klar abgesteckt: Wer sich nicht um Tradition schert, geht zum Bundesligisten RB, die Romantiker gehen zu Lok und Chemie. Wobei sich bei Lok leider auch eine Szene von rechtsradikalen Krawallmachern etabliert hat. Sie formierten sich vor Jahren bei einem Spiel sogar einmal zum Hakenkreuz. Eine Aktion, die selbst in der an Geschmacklosigkeiten reichen Geschichte des Hooliganismus Ihresgleichen sucht.
Zum Glück aber regt sich Widerstand gegen die Hooligans, die den 1. FC Lokomotive Leipzig im Würgegriff halten. Während des Chemie-Spiels äusserten zahlreiche friedliche Zuschauer deutlich ihren Unmut. «Den vielen Fans, die sich den aggressiven Personen auf der Gegengerade entgegengestellt haben und sich lautstark gegen diese Chaoten aussprachen gebührt ein grosser Dank. Das sind die wahren Lok-Fans. Sie haben die Grundwerte des Vereines verinnerlicht und repräsentieren die überwältigende Mehrheit der blau-gelben Familie.»
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