Gefahren des Internets, Teil 7Im Netz gefangen – wenn das Internet süchtig macht
Egal wie sicher man unterwegs ist: Eine Gefahr lauert online immer. Die Gefahr, nicht mehr offline gehen zu können. Mehr dazu im letzten Teil der BaZ-Miniserie.

Man wird über den Tisch gezogen, ausgenommen, belästigt. Das haben die vorherigen Folgen der Miniserie «Gefahren des Internets» gezeigt. Kommen wir nun zum letzten Beitrag des Formats und beschäftigen uns mit einem immer brisanteren Thema: der Onlinesucht.
Im Internet lauern unzählige Gefahren, so weit, so gut. Aber daran vorbei kommt man im nicht mehr ganz so jungen 21. Jahrhundert kaum noch. Denn in der virtuellen Parallelwelt befindet sich der Schlüssel zu so vielem: Kommunizieren, Flirten, Arbeiten, Organisieren, Recherchieren, Entspannen – das alles ist online möglich und offline immer umständlicher.
Nach dem Aufstehen die Nachrichten und das Wetter checken, unterwegs einen Podcast hören, acht Stunden am Computer arbeiten, nach Feierabend Netflix: So verbringt man über den Tag summiert gut und gerne an die zehn Stunden im Internet. In Pandemiezeiten – Zoom-Zeiten, Homeoffice-Zeiten – sowieso.
Laut dem Bundesamt für Statistik verbringen vor allem Personen im Alter von 14 bis 39 Jahren regelmässig, das heisst mehrmals wöchentlich, Zeit online. Das überrascht kaum – doch ab wann ist die Internetnutzung problematisch? Wie kann man eine Sucht erkennen, in einer Gesellschaft, die ohne das Internet nicht mehr auskommt?
Sechs Stunden gleich Sucht
Während eine Sucht bei uns diagnostiziert wird, wenn der Konsum das Leben einschränkt, setzt China eine Zahl als Grenze: Verbringt ein junger Mensch täglich mehr als sechs Stunden seiner Freizeit im Internet, gilt er als süchtig und wird unter Umständen in ein Bootcamp gesteckt. Hier sollen die Kinder und Jugendlichen mit militärischem Drill zur Vernunft gebracht werden.
Einige Zahlen dazu: In China sind schätzungsweise 24 Millionen Kinder und Jugendliche internetsüchtig. Um diese zu therapieren, werden sie in eines der rund 200 Bootcamps gesteckt, wo sie vier bis sechs Monate lang umerzogen werden. Das kostet die Eltern monatlich um die 800 Franken.
«Von problematischer Nutzung spricht man, wenn sich der Lebensmittelpunkt vom realen hin zum virtuellen Leben verschiebt.»
Laut dem Bundesamt für Gesundheit und gemäss den Daten der Schweizerischen Gesundheitsbefragung 2017 sind 3,8 Prozent der Bevölkerung ab 15 Jahren – das sind rund 270’000 Personen – von einer problematischen Internetnutzung betroffen. Die am stärksten betroffene Altersgruppe sind mit 11,2 Prozent Personen zwischen 15 und 24 Jahren.
«Problematische Internetnutzung» – was heisst das konkret? Schwer zu sagen. Bislang gibt es nämlich noch keine anerkannte Diagnose, die das Phänomen begrifflich definiert. Das BAG schreibt dazu: «Ob die Internetnutzung als problematisch gelten kann, hängt sowohl von der Nutzungsdauer wie auch der Art der Nutzung ab. Von problematischer Nutzung spricht man, wenn sich der Lebensmittelpunkt vom realen hin zum virtuellen Leben verschiebt.»
Besonders verlockend seien folgende Spezialbereiche des Internets: Glücksspielplattformen, Pornografie, Kommunikation über die sozialen Netzwerke, Onlineshopping und Videospiele. Einmal eingetaucht, falle es Betroffenen oft schwer, wieder offline zu gehen. Unter einer Sucht leiden die sozialen Beziehungen, die Arbeitsleistung und die physische wie auch die psychische Gesundheit.
Stellt man bei sich selber oder einem seiner Kinder eine Tendenz zu suchtartigem Onlineverhalten fest, kann man sich über die Plattform Safezone diskret informieren und beraten lassen. Dort findet man ausserdem physische Anlaufstellen in der ganzen Schweiz.
Dies ist die letzte Folge der BaZ-Serie «Gefahren des Internets». Die Miniserie hat in sieben Teilen Themen rund um die dunklen Seiten des Webs beleuchtet. Zuletzt erschienen sind Teil 5 («Wunderschön in wenigen Klicks») und Teil 6 («Kinderfotos in den falschen Händen»).
Raphaela Portmann ist Mitarbeiterin des lokalen Kultur-Ressorts. Besonders gerne schreibt sie über gesellschaftliche und historische Themen. Neben vielfältigen Tätigkeiten im Kulturbereich organisiert sie den BaZ-Podcast «Los emol».
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